"Addiert kommen wir pro Jahr auf 18 Preise, die mit sozialen und Werte vermittelnden Themen zu tun haben. Das ist einfach zu viel des Guten."Zu viel des Guten! Gut, dass Wolfgang Niersbach den DFB weniger gut machen will. Es lebe das Kerngeschäft!
Dienstag, 20. November 2012
Die Kerngeschäftigen
Der Theo Blatteristdochgarnichtsoschlimm Zwanziger hat sich in diesen PR-Tagen für sein Buch sorgenvoll geäußert. Wolfgang Ichsitzsogernnebenangelamerkel Niersbach, sein Freund und Nachfolger als Chef im Hermann-Ichladmireinennaziein-Neuberger Haus, betone zu sehr, dass die der DFB wieder auf sein Kerngeschäft konzentrieren müsse. Er vermutet in Niersbach wenig soziales Gewissen. Der nimmt zwar für den DFB gerne Preise für dessen soziales Engagement entgegen wie zuletzt in Kitzbühel den Laureus-Ehrenpreis für Wohltätigkeit. Doch Chefsache ist dieses Engagement längst nicht mehr. Karl Rothmund ist als Chef der Kommission Nachhaltigkeit für all das zuständig, was Theo Jetztlästertdochnichtimmersoüberblatter Zwanziger so sehr am Herzen liegt. Eine Herzensangelegenheit scheint Rothmund das indes nicht zu sein. Der soziale Obermufti des DFB ist alles andere als ein engagierter Kämpfer für die sozialen Anliegen, die mit dem Sport transportiert werden können. Müsste Rothmund nicht der oberste Lobbyist für soziale Anliegen im DFB sein? Auf dfb.de hat der Mann ein Interview gegeben, das es in sich hat, und das Theo Jetztistaberwirklichmalgutmitdemblatterbashing Zwanziger in seiner Sorge bestätigen dürfte. Beispielhaft hier nur ein Satz daraus:
Montag, 19. November 2012
Der Oktoberfestvergleich
Schlimm sollen sie wirken, die Zahlen zur Gewalt in deutschen Stadien, die die ZIS, die Zentrale Informationsstelle Sporteinsätze (hier der ganze Bericht), heute vorgestellt hat. An Sätzen wie diesem aus dem Bericht für die Saison 2011/12 wird das besonders deutlich:
Die Anzahl der an den Standorten beider Bundesligen in der SaisonDas hilft nur eins: der klassische Oktoberfestvergleich. Hier sind Auszüge aus dem Abschlussbericht der Münchner Polizei zum Oktonerfest. Meine Lieblingsstelle daraus: "Negativ zu sehen ist, dass körperliche Übergriffe, welche mit dem „Tatwerkzeug“ Maßkrug begangen wurden, heuer wieder angestiegen sind." So etwas ist beim Fußball sicher undenkbar. Und so geht's zu auf der Wies'n:
2011/12 eingeleiteten Strafverfahren lag um ca. 70, die der geleisteten Arbeitsstunden um ca. 40 und die der Verletzten um ca. 120 Prozent über dem Durchschnitt der letzten zwölf Jahre.
Die Zahl der Freiheitsentziehungen ist in diesem Jahr mit insgesamt 793 Freiheitsentziehungen um 18,2 Prozent (2011: 671; 2010: 694) angestiegen. Erwähnenswert ist dabei im besonderen, dass heuer 324 Personen von den Beamten der Wiesnwache in Gewahrsam genommen wurden (2011: 222; 2010: 217). „Mit der gestiegenen Anzahl der vorbeugenden Ingewahrsamnahmen potentieller Störer haben wir die Sicherheit auf der Wiesn erhöht und zum Schutz der friedlichen Besucher beigetragen“, betont Polizeivizepräsident Robert Kopp.
Im Vergleich zur Vorjahreswiesn mit 1.290 Straftaten, ist bei den bisher registrierten Delikten eine Erhöhung der Gesamtzahl auf mittlerweile 1.470 festgestellt worden. Die Straftatenzahl liegt damit leicht über dem Niveau der Jahre 2009 und 2008 mit 1.395 bzw. 1.400 Delikten. Vor dem Hintergrund der diesjährigen Zunahme von Straftaten erhöhte sich auch die Zahl der getätigten Festnahmen. Wurden 2011 noch 449 Straftäter festgenommen, so liegt die Zahl in diesem Jahr bei 469 Festnahmen.
Positiv ist festzustellen, dass sich im Zusammenhang mit dem Oktoberfest 2012 bisher weder ein vollendetes noch ein versuchtes Tötungsdelikt ereignet hat. Auch bei den gefährlichen Körperverletzungen war bei den Vorgängen bisher keine Qualifizierung zu einem versuchten Tötungsdelikt festzustellen.
Eine Steigerung wurde bei den bislang angezeigten Körperverletzungen registriert (2012: 439 Anzeigen – 2011: 335 Anzeigen). Hier liegt die Erhöhung jedoch vor allem im Bereich der „einfach“ gelagerten Körperverletzungsdelikte. Bei den gefährlichen Körperverletzungen fällt die Steigerung mit 119 Delikten zum Vorjahr (2011: 107; 2010: 139) deutlich geringer aus. Negativ zu sehen ist, dass körperliche Übergriffe, welche mit dem „Tatwerkzeug“ Maßkrug begangen wurden, heuer wieder angestiegen sind. In diesem Jahr ereigneten sich bisher 66 dieser gefährlichen Straftaten bei denen mit Maßkrügen zugeschlagen bzw. diese geworfen wurden (2011: 55; 2010: 59). „Die sofortige Festnahme von 48 dieser rücksichtslosen Täter ist die einzige richtige Reaktion der Polizei auf diese Form der Gewalt“ unterstreicht Polizeivizepräsident Robert Kopp.
Und das Fazit, das erwähnter Polizeivizepräsident Robert Kopp zieht ist auch erwähnenswert
Auch bei der diesjährigen Wiesn haben wir auf der Grundlage eines funktionierenden Sicherheitsnetzes in das sich alle verantwortlichen Partner bestens einbringen und mit einer professionellen und engagierten Aufgabenerledigung durch unsere Polizeibeamten einen sehr hohes Sicherheitsniveau erreicht.
Bei einem Blick auf das Sicherheitsniveau der Bundesliga würde Herr Kopp wohl neidisch.
Dienstag, 30. Oktober 2012
Deutsche Liga für Fußballsicherheit
An dieser Stelle will ich Reaktionen auf das zusammentragen, was ich die DFL zum Thema Gewalt ausgedacht hat. Vollständig wird es nie sein. Vielleicht hilft es ja trotzdem.
Hier ist das Unding der DFL (PDF).
Und hier die Abschlusserklärung des Fangipfels vom 1. November, das der geschätzte Kollege Johannes Kopp als wahrhafte Schule der Demokratie geschildert hat.
Der FC Bayern findet das ganz o.k.: Pressesprecher Hörwick: "Wir stehen hinter diesem Konzept."
So haben sich andere Klubs dazu geäußert:
Union Berlin (PDF)
FC St. Pauli
1. FC Köln
FC Augsburg
Fortuna Düsseldorf (PDF)
Hertha BSC
VfL Wolfsburg
TSV 1860 München
Borussia Mönchengladbach
1. FC Kaiserslautern
Eintracht Frankfurt (PDF)
VfB Stuttgart
Hamburger SV (PDF)
1.FC Nürnberg
Dynamo Dresden
Erzgebirge Aue
Hannover 96 (PDF)
1789 Hoffenheim
Außerdem hat der SC Freiburg schon am 23. Oktober in einem Brief an die DFL seine Position zum Papier „Sicheres Sicherheitserlebnis“ mitgeteilt. Für den Klub ist es eine "Diskussionsgrundlage, bei der wir unsere Erfahrungen aus der engen Zusammenarbeit mit den beteiligten Sicherheitsbehörden, Fangruppierungen, Fanbeauftragten und Sicherheits- sowie Ordnungsdiensten einbringen möchten."
Harald Strutz, Vizepräsident der DFL und Präsident von Mainz 05, sagt, dass er sich schon auf der vergangenen Mitgliederversammlung der Deutschen Liga für Sicherheitsfußall kritisch zum "Sicheren Sicherheitserlebnis" geäußert hat in der Allgemeinen Zeitung sagt er zum Beislien zu den so genannten Vollkontrollen: "Das ist vor dem Hintergrund der persönlichen und körperlichen Integrität ein sehr sensibles Thema. Wer zum Fußball geht, darf nicht der Willkür ausgesetzt sein."
Und hier eine Auswahl von Fan-, Fanvertretern- und Fanprojektvertretern:
Pro Fans (PDF)
Unsere Kurve
Bundesarbeitsgemeinschaft Fanprojekte (PDF)
Hier ist das Unding der DFL (PDF).
Und hier die Abschlusserklärung des Fangipfels vom 1. November, das der geschätzte Kollege Johannes Kopp als wahrhafte Schule der Demokratie geschildert hat.
Der FC Bayern findet das ganz o.k.: Pressesprecher Hörwick: "Wir stehen hinter diesem Konzept."
So haben sich andere Klubs dazu geäußert:
Union Berlin (PDF)
FC St. Pauli
1. FC Köln
FC Augsburg
Fortuna Düsseldorf (PDF)
Hertha BSC
VfL Wolfsburg
TSV 1860 München
Borussia Mönchengladbach
1. FC Kaiserslautern
Eintracht Frankfurt (PDF)
VfB Stuttgart
Hamburger SV (PDF)
1.FC Nürnberg
Dynamo Dresden
Erzgebirge Aue
Hannover 96 (PDF)
1789 Hoffenheim
Außerdem hat der SC Freiburg schon am 23. Oktober in einem Brief an die DFL seine Position zum Papier „Sicheres Sicherheitserlebnis“ mitgeteilt. Für den Klub ist es eine "Diskussionsgrundlage, bei der wir unsere Erfahrungen aus der engen Zusammenarbeit mit den beteiligten Sicherheitsbehörden, Fangruppierungen, Fanbeauftragten und Sicherheits- sowie Ordnungsdiensten einbringen möchten."
Harald Strutz, Vizepräsident der DFL und Präsident von Mainz 05, sagt, dass er sich schon auf der vergangenen Mitgliederversammlung der Deutschen Liga für Sicherheitsfußall kritisch zum "Sicheren Sicherheitserlebnis" geäußert hat in der Allgemeinen Zeitung sagt er zum Beislien zu den so genannten Vollkontrollen: "Das ist vor dem Hintergrund der persönlichen und körperlichen Integrität ein sehr sensibles Thema. Wer zum Fußball geht, darf nicht der Willkür ausgesetzt sein."
Und hier eine Auswahl von Fan-, Fanvertretern- und Fanprojektvertretern:
Pro Fans (PDF)
Unsere Kurve
Bundesarbeitsgemeinschaft Fanprojekte (PDF)
Von Bürgern und Ultras
Nachdem ich gerade festgestellt habe, dass mein Kommentar zum Sicherheitspapier der deutschen Liga für sicheren Fußball zum sicheren Stadionbesuch nicht auf taz.de gelandet ist, stelle ich ihn hier noch einmal zur Verfügung. Bitte sehr:
Hallo!
Kann sich hier jemand noch daran erinnern, wie erbittert in diesem Land
vor nicht allzu langer Zeit über den Einsatz von Ganzkörperscannern
gestritten worden ist? Beinahe das ganze Land hat diskutiert, ob der
Einsatz von derart riesigen Durchleuchtungsgeräten zur
Terrorismusbekämpfung an deutschen Flughäfen ethisch zu rechtfertigen
ist. Von elektronischer Massenentkleidung oder Striptease für die
Sicherheit war da die Rede. Datenschützer und Bürgerrechtler haben
protestiert. Als die ersten sogenannten Nacktscanner auf dem Flughafen
Hamburg am lebenden Passagier getestet worden sind, gab es
Demonstrationen und der seinerzeitige Bundesinnenminister Thomas de
Maizière tat sich schwer mit seiner Argumentation, dass es doch gar
keine nackten Menschen zu sehen gibt auf den Bildern, die die
Strahlenkameras aufnehmen, dass das doch nur Strichmännchen seien.
Der
Minister stellte sich sogar selbst in den Scanner und ließ sich
durchstrahlen, was damals viele an den früheren bayerischen
Umweltminister Alfred Dick (CSU) erinnerte, der einst demonstrativ
atomar verstrahlte Molke verzehrt hat, um der Welt zu zeigen: Alles halb
so schlimm! Doch de Maizières Selbsttest beruhigte die Gemüter
keineswegs. Das Empörungsniveau blieb bis zum Ende des Testbetriebs
stabil auf hohem Niveau. Die Nacktscanner wurden zum Sinnbild für die
Überwachungsfantasien der deutschen Sicherheitspolitiker. Sie wurden von
der katholischen Bischofskonferenz verteufelt, ein großer Teil des
liberalen Bürgertums fand die Vorstellung, sich am Flughafen einem
Sicherheitsmitarbeiter nackt präsentieren zu müssen, zumindest ekelig,
die digitalen Bürgerrechtler zogen sich gar aus, um gegen die Geräte zu
demonstrieren, und argumentieren wie die Linken gegen die Allmacht eines
autoritären Staates, die sich im Einsatz von Nacktscannern
manifestiere.
Wie leise ist es im Vergleich dazu
in diesen Tagen, in denen die Deutsche Fußballliga zusammen mit dem DFB
ein Sicherheitskonzept vorgelegt hat, das das Aufstellen von Containern
vorsieht, in denen Fans nackt kontrolliert werden sollen. Damit keiner
mehr auch nur ein Gramm pyrotechnisches Material ins Stadion schmuggeln
kann, wollen die Sicherheitsapologeten in den deutschen Fußballverbänden
den Stadionbesuchern buchstäblich in den After schauen. Das soll ohne
jede richterliche Anordnung gemacht werden, einfach so, ohne konkreten
Verdacht. Wie harmlos muss den Fans dagegen ein Nacktscanner vorkommen.
Ausziehen! Könnte ja sein, dass jemand etwas Böses in der Unterhose hat,
das er ins Stadion schmuggeln will.
Der Aufschrei
des aufgeklärten Bürgertums über derartig massive Eingriffe in die
Persönlichkeitsrechte von Menschen bleibt aus. Eine Frage drängt sich
auf: Werden die Fans in den Kurven von der Mehrheitsgesellschaft schon
gar nicht mehr als Menschen wahrgenommen? Der unschuldige Bürger im
Nacktscanner am Flughafen ist ein gesellschaftlicher Aufreger gewesen.
Der unschuldige Kurvenfan, der unschuldige Ultra gar scheint dagegen ein
denkerisches Unding zu sein. Er steht längst ganz weit außerhalb der
Gesellschaft. Und wer da steht, der scheint es schwer zu haben, wenn es
um die Verteidigung seiner Bürgerrechte geht. Dass sich die katholischen
Bischöfe in der Causa noch nicht zu Wort gemeldet haben, sei's drum!
Aber wo ist der prominente Grüne, Linke, Sozialdemokrat oder Pirat, wo
sind die moderaten Innenpolitikerinnen in diesem Land? Wo ist die
rechtliche und moralische Grundsatzdebatte? Hallo! Kann sich hier mal
jemand aufregen, bitte!
Dienstag, 16. Oktober 2012
Fußball und Rechststaat
"Fußball – Macht – Politik. Interdisziplinäres Symposium zu Fußball und Gesellschaft" - so hieß die Veranstaltung, bei der ich am Samstag in Bonn gesprochen habe. Der Ausflug in die Wissenschaft hat sich für mich auch als Zuhörer gelohnt. Vielen Dank dafür der Abteilung für Altamerikanistik und Ethnologie an der Uni Bonn und der Rosa-Luxemburg-Stiftung NRW. Vor allem der Vortrag von Oliver Fürtjes, Sportsoziologe an der Deutschen Sporthochschule Köln, hat mir gefallen. Er hat den Mythos von Fußball als Proletariersport regelrecht zertrümmert und nachgewiesen, dass die Begeisterung für das Spiel schon seit den 50er Jahren ein "schichtenübergreifendes Phänomen" ist.
Ich hatte über den DFB zu sprechen und seine immer stärker werdende Rolle als Staat im deutschen Staat, dem immer mehr Privilegien zugestanden werden. Was die Politik von ihrer Anbiederung an den Fußball hat, das habe ich wie folgt dargestellt (das irrwitzige Sicherheitskonzept der DFL kommt darin auch vor):
Der Fußball als Experimentierfeld der Sicherheitspolitik
Die Popularität des Lieblingssports der Deutschen hat sich schon oft als hilfreich erwiesen, wenn es darum ging, den rechtsstaatliche Standards
nach unten zu korrigieren. 2001 wunderten sich nicht wenige politische Aktivisten, als sie kurz vor dem G8-Gipfel in Genua Besuch von der Polizei bekamen, die ihnen eine Art Hausarrest aufbrummte. Andere wurden auf dem Weg zur Protestaktionen bei Grenzkontrollen als potenzielle Gewalttäter identifiziert und zurück in ihre Wohnorte geschickt. Verbrochen hatten sie nichts. Ihr Name war in eine mehr oder weniger willkürlich geführte Datensammlung geraten, wo sie als linke Gewalttäter geführt wurden. Vorbild für diese Datensammlung war die Datei „Gewalttäter Sport“, die seit 1994 geführt wird. Zunächst ohne jede Rechtsgrundlage. Nicht nur Datenschützer, mehrere gerichtliche Instanzen haben die rechtliche Unzulässigkeit dieser Datensammlungen festgestellt. Doch die Behörden katalogisierten die vermeintlich gewaltbereiten Fans weiter. Der Kampf gegen die Gewalttaten von Hooligans war spätestens, seit deutsche Fußballfans 1998 den französischen Polizisten Daniel Nivel beinahe zu Tode geprügelt haben, in der breiten Öffentlichkeit äußerst populär. Die Datensammlung wurde deshalb nie in Frage gestellt, auch wenn sich dort als Gewalttäter auch findet, wer einmal einen Aufkleber auf die Kacheln einer Stadiontoilette geklebt hat, und dabei von Ordnern erwischt wurde. Zum vermeintlichen Wohl des Fußballs wurden Bürgerrechte eingeschränkt.
Nachhaltig – wie sich 2001 vor dem G8-Gipfel in Genua zeigen sollte.
Kein Einzelfall. 2007 wunderten sich Aktivisten im Protestcamp anlässlich des G8-Gipfels von Heiligendamm über Bundeswehrjets, die über ihr zeitweiliges Domizil gebrettert waren. Ist der Einsatz der Bundeswehr im Inneren nicht verboten, mögen sie sich gefragt haben. Im Rahmen des G-8-Gipfels in Heiligendamm 2007 setzte die Bundeswehr mindestens ein Dutzend Kampfjets zur Aufklärung ein. Darüber hinaus kamen Spähpanzer vom Typ „Fennek“ zum Einsatz, um Straßen sowie die Anflugrouten der Gipfelteilnehmer zu beobachten. Zur Überwachung des Luftraums wurden drei Nato-Aufklärungsflugzeuge vom Typ Awacs eingesetzt. In Bad Doberan
errichtete die Bundeswehr zusätzlich ein mobiles Sanitätsrettungszentrum, das von mehreren Feldjägern gesichert wurde. Eigentlich ist der Einsatz der Bundeswehr im Innern laut Grundgesetz nur dann gestattet, wenn der Bundestag einen Verteidigungsfall festgestellt hat, es sei denn er dient „zur Abwehr einer drohenden Gefahr für den Bestand oder die freiheitliche demokratische Grundordnung des Bundes oder eines Landes“. Wolfgang Schäuble, seinerzeit Innenminister und Verteidigungsminister Franz-Josef Jung wussten diesen Satz schon ein Jahr zuvor zugunsten ihrer Sicherheitsphantasien zu interpretieren. An der Sicherung der Fußball-WM 2006 nahmen 2.000 Bundeswehrsoldaten aktiv teil. 5.000 weitere waren ständig in Breitschaft. Deutschlands größte Nationalparty öffnete der Bundeswehr die Tür zum Einsatz im Inland. Die Regierung hatte sich einmal mehr die Popularität des Fußballs zu Nutze gemacht, um neue Sicherheitsstandards zu etablieren.
In diesen Tagen wird immer wieder intensiv über die Gewalt in deutschen Fußballstadien diskutiert. Innenpolitiker und Fußballfunktionäre ringen um neue Wege zum sicheren Stadionbesuch. Gerade hat der Verband der in der ersten und zweiten Liga vertretenen Profiklubs ein Sicherheitskonzept vorgestellt. Darin ist von Containern die Rede, in denen Fans einer Genzkörperkonztrolle unterzogen werden sollen. Damit soll wohl verhindert werden, dass Zuschauer pyrotechnische Erzeugnisse wie bengalische Fackeln oder Sylvesterraketen - in ihrem Genitalbreich versteckt - ins Stadion schmuggeln. Rechtspolitiker müssten eigentlich aufschreien, denn für derartige Nacktuntersuchungen ist eigentlich ein richterlicher Beschluss von Nöten. In der Strafprozessordnung heißt es: „Bei Gefahr im Verzug kann die Untersuchung auch auf Grund einer Anordnung der Staatsanwaltschaft durchgeführt werden, doch hat die Staatsanwaltschaft in diesem Fall unverzüglich die gerichtliche Bewilligung einzuholen. Wird diese nicht erteilt, so hat die Staatsanwaltschaft die Anordnung sofort zu widerrufen und das Ergebnis der körperlichen Untersuchung vernichten zu lassen. Jede körperliche Untersuchung ist von einem Arzt vorzunehmen.“ Vor nicht allzu langer Zeit diskutierte beinahe das ganze Land über die Einführung von Ganzkörperscannern bei der Sicherheitskontrolle an Flughäfen. Angesichtes der Pläne der DFL eine beinahe schon niedliche Diskussion.
Der Fußball ist einmal mehr dabei, rechtsstaatliche Standards auszuhebeln. Die Sicherheitsapologeten in den Innenminsterien von Bund und Ländern können sich bedanken
Freitag, 21. September 2012
Niersbach der Woche (5)
Der Niersbach dieser Woche geht diesmal nicht an den Präsidenten selbst. Christoph Fischer von der Westdeutschen Zeitung hat ihn sich mit seinem Artikel über Niersbachs Besuch bei dessen ersten Fußballverein, dem Düsseldorfer C 99, redlich verdient. Herzlichen Glückwunsch vor allem für den Satz:
Dieser Mann ist ein Geschenk für den größten Sportverband der Welt.Warum er das ist, das deutet Fischer leider nur an:
Der Düsseldorfer zeigte sich auch beim DSC als großer Kommunikator und wurde in seiner Heimatstadt minutenlang beklatscht.Und ein weiteres Dankeschön auch an Herrn Fischer, weil er einmal mehr zu Papier gebracht hat, welch unabhängiger Journalist der junge Herr Niersbach war, als er noch für den Sport-Informations-Dienst gearbeitet hat:
Als Sportjournalist hat er für den Sport-Informations-Dienst geschrieben, war jahrelang verantwortlich für die Vereinsmagazine der Fortuna und der DEG...Da sei Christoph Fischer der Fehler, der ihm in seinem Text unterlaufen ist, glatt verziehen. Bei Niersbachs Besuch, schreibt er, seien auch auch die Eishockey-Olympoiasieger von 1976, Otto Schneitberger und Walter Köberle, zugegen gewesen. Nun ja, Olympiasieger wurde seinerzet die Sowjetunion. Die beiden Deutschen gehörten zu dem Team, das sensationell Bronze holte. Um genau zu sein gehörte nur Köberle zu diesem Team. Schneitberger hat 1975 zum letzten Mal für die Nationalmannschaft gespielt. Aber um die Schlittschuhsportler sollte es in dem Huldigungsartikel ja auch gar nicht gehen, sondern eben um den großen Vorsitzenden. Nordkorea lässt grüßen. Hier der ganze Wahnsinn: Niersbach ist ein DSC-Jong
Riskante Schau
Der DFB lässt ein Fußballmuseum errichten.
Das Land Nordrhein-Westfalen und die Kommune Dortmund rollen dem
Fußballverband dafür den Roten Teppich aus und müssen tief in die Tasche
greifen – dabei kann die Stadt sich das eigentlich gar nicht leisten. Das habe ich in der taz dazu geschrieben:
Einen großen Meister hat sich das Museum schon gesichert. Es kommt als Leihgabe aus den Niederlanden. Das weiße Stück Stoff, auf dem die Ziffern 1 und 3 aufgeflockt sind, hatte der niederländische Nationalspieler Wim Rijsbergen nach dem Endspiel der Fußballweltmeisterschaft 1974 im Tausch gegen ein Stück orange Stoff mit den Ziffern 1 und 7 in seinen Besitz gebracht. Das Meisterstück ist das Trikot, das der Siegtorschütze dieses Finales trug. In zwei Jahren, wenn das DFB-Museum, an dem seit dem symbolischen Spatenstich am Donnerstag gebaut wird, eröffnet ist, wird das Leibchen von Gerd Müller eine der Hauptattraktionen sein.
250.000 Menschen sollen jährlich das Museum besuchen und sich Fußballdinge wie einen Lederball, der beim WM-Turnier 1954 benutzt wurde, anschauen können. In Dortmund hofft man, dass die Fußballnostalgiemaschine, die gegenüber dem Hauptbahnhof entsteht, brummen wird. Sollte das nicht der Fall sein, könnte es ganz teuer werden für die Stadt, die seit Jahren an der Pleite entlangschrammt und für die Verwaltungsinstrumente wie Haushaltssperren längst zum Alltag geworden sind.
Denn die Stadt hat sich auf einen gefährlichen Deal eingelassen. Gemeinsam mit dem DFB wurde eine Stiftung ins Leben gerufen, die das Museum später betrieben wird. Sollte es nicht laufen, ist das Risiko für den Fußballverband auf 250.000 Euro limitiert, die Stadt dagegen haftet unbegrenzt. In dieser Woche hat der Bund der Steuerzahler in seinem Schwarzbuch das Projekt Fußballmuseum und den Vertrag mit dem DFB explizit kritisiert. Einer nichtöffentlichen Vorlage dazu hat der Rat der Stadt 2009 zugestimmt. Es sollte wohl niemand mitbekommen, welch hohes Risiko die Kommune da auf sich nimmt. Doch geheim ist schon lange nicht mehr, was da verabschiedet wurde. Jetzt hat das große Bangen in Dortmund begonnen.
Als das Projekt vor drei Jahren beschlossen wurde, da stimmten auch die Grünen im Rat dafür. Heute sind sie skeptischer, wie Ingrid Reuter, die Fraktionsvorsitzende im neu gewählten Rat, zugibt. Vor kurzem waren schon einmal große Hoffnungen mit einem Kultur- und Eventprojekt in der Stadt verbunden. Das „Dortmunder U“, ein ehemaliges Brauereigebäude, das mit seinem riesigen U auf den Dach zu den Wahrzeichen Dortmunds gehört, wurde mit Steuermitteln saniert und zum „Zentrum für Kunst und Kreativität“ ausgebaut. Das Projekt erwies sich schnell als Fass ohne Boden. 83 Millionen Euro kostete der Umbau zum Kulturzentrum, 30 Millionen mehr als geplant. Die Betriebskosten von jährlich 10 Millionen Euro belasten den Haushalt der Stadt dauerhaft. Dabei gab es so schöne Prognosen.
Solche gibt es auch für das Fußballmuseum. Zwei Wochen vor dem Spatenstich mit NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft und DFB-Präsident Wolfgang Niersbach wurde eine Studie vorgestellt, die das Museum als Wirtschaftsmotor und Jobmaschine für die Stadt sieht. Da ist von 250.000 Besuchern jährlich die Rede, die am Besuchstag im Schnitt über 35 Euro in der Stadt ausgeben werden, was zu jährlichen Steuermehreinnahmen von 1,5 Millionen Euro im Jahr führen würde. 280 Vollzeitarbeitsstellen würde das Museum generieren. Dortmunds Oberbürgermeister Ullrich Sierau (SPD) verweist gerne auf die tollen Zahlen der Studie, die man getrost als Gefälligkeitsgutachten bezeichnen kann. In Auftrag gegeben hat sie der Dortmund-Tourismus e. V., die „offizielle Tourismusmarketingorganisation der Stadt“, wie sich der Verein selbst bezeichnet. Die Zahlen, die er liefert, lesen sich wie ein naiver Rechtfertigungsversuch für das steuermitfinanzierte Ausstellungsprojekt.
Die Kommune Dortmund und das Land Nordrhein-Westfalen haben dem DFB viel Geld zugesagt und sich damit den Zuschlag für das Fußballmuseum regelrecht erkauft. Das Land sicherte einen Baukostenzuschuss von 18,5 Millionen Euro zu. Der DFB dankte es mit der Zusage, dass das Museum in NRW gebaut würde. Drei Städte bewarben sich. Köln schied aus, weil man nicht bereit war, für das Museum ein Grundstück herzuschenken bzw. in kostenloser Erbpacht für 99 Jahre zu überlassen. Das versprachen dagegen Dortmund und Gelsenkirchen. Der DFB-Bundestag stimmte dann für Dortmund als Standort.
Dort hat man schon eine halbe Million Euro für die Verlegung des zentralen Omnibusbahnhofs ausgegeben, der bis dato am Museumsstandort lag – mit der Hälfte hatte man kalkuliert. Die Baufreimachung des Grundstücks hat 5 Millionen Euro gekostet, ein Betrag, der bereitgestellt wurde in der Hoffnung, das Land werde davon 80 Prozent übernehmen. Der Förderungsbescheid indes steht noch aus. Was geschieht, wenn die Baukosten – ähnlich wie beim „Dortmunder U“ aus dem Ruder laufen, weiß keiner so recht. Der DFB will nicht mehr zahlen als die vereinbarten 17,5 Millionen, und auch das Land will seine Förderung nicht erhöhen. Das Risiko bliebe bei der Stadt Dortmund. Auch das ist ein Punkt, den der Bund der Steuerzahler heftig kritisiert.
Der DFB hat, so scheint es, die Stadt fest im Griff. Wie im Großen die Fifa, die große Turniere nur dann vergibt, wenn die Gastgeberländer alleine das Risiko tragen, hat der DFB im Kleinen agiert. Das Risiko wird dem Gemeinwesen übergeholfen. Kein Wunder, dass DFB-Boss Wolfgang Niersbach öffentlich verkündet, dass der Deal für keine Seite riskant sei. Beim symbolischen Spatenstich meinte er, die kalkulierten 250.000 Besucher seien ohnehin sehr konservativ gerechnet. Er versprach, kein Geld, das der DFB über seine gemeinnützigen Vereine einnimmt, in das Projekt zu investieren.
Gemeinnützige Gelder in ein Projekt zu investieren, das vom kulturellen und museumspädagogischen Standard her sowieso kein Museum ist, wäre in der Tat fragwürdig. Genau das nämlich hat die zuständige Bezirksregierung in Arnsberg festgestellt, schließlich handle es sich in keiner Weise um „wissenschaftliche Sammlungen oder Kunstsammlungen“. Auch diese Entscheidung, so richtig sie angesichts von geplanten Exponaten wie Bällen, Trikots oder den Badelatschen von Wolfgang Overath erscheinen mag, riecht nach Gefälligkeitspolitik. Ein Museum im klassischen Sinne ist, was die Umsatzsteuer betrifft, wie ein Endverbraucher zu betrachten. Die Umsatzsteuer muss gezahlt werden, sie kann nicht umgelegt werden. 19 Prozent der Baukosten würden an den Fiskus fließen. Das wollte in der Stiftung Fußballmuseum niemand. Und so entsteht jetzt in Dortmund ein Museum, das eigentlich gar keines ist.
Einen großen Meister hat sich das Museum schon gesichert. Es kommt als Leihgabe aus den Niederlanden. Das weiße Stück Stoff, auf dem die Ziffern 1 und 3 aufgeflockt sind, hatte der niederländische Nationalspieler Wim Rijsbergen nach dem Endspiel der Fußballweltmeisterschaft 1974 im Tausch gegen ein Stück orange Stoff mit den Ziffern 1 und 7 in seinen Besitz gebracht. Das Meisterstück ist das Trikot, das der Siegtorschütze dieses Finales trug. In zwei Jahren, wenn das DFB-Museum, an dem seit dem symbolischen Spatenstich am Donnerstag gebaut wird, eröffnet ist, wird das Leibchen von Gerd Müller eine der Hauptattraktionen sein.
250.000 Menschen sollen jährlich das Museum besuchen und sich Fußballdinge wie einen Lederball, der beim WM-Turnier 1954 benutzt wurde, anschauen können. In Dortmund hofft man, dass die Fußballnostalgiemaschine, die gegenüber dem Hauptbahnhof entsteht, brummen wird. Sollte das nicht der Fall sein, könnte es ganz teuer werden für die Stadt, die seit Jahren an der Pleite entlangschrammt und für die Verwaltungsinstrumente wie Haushaltssperren längst zum Alltag geworden sind.
Denn die Stadt hat sich auf einen gefährlichen Deal eingelassen. Gemeinsam mit dem DFB wurde eine Stiftung ins Leben gerufen, die das Museum später betrieben wird. Sollte es nicht laufen, ist das Risiko für den Fußballverband auf 250.000 Euro limitiert, die Stadt dagegen haftet unbegrenzt. In dieser Woche hat der Bund der Steuerzahler in seinem Schwarzbuch das Projekt Fußballmuseum und den Vertrag mit dem DFB explizit kritisiert. Einer nichtöffentlichen Vorlage dazu hat der Rat der Stadt 2009 zugestimmt. Es sollte wohl niemand mitbekommen, welch hohes Risiko die Kommune da auf sich nimmt. Doch geheim ist schon lange nicht mehr, was da verabschiedet wurde. Jetzt hat das große Bangen in Dortmund begonnen.
Als das Projekt vor drei Jahren beschlossen wurde, da stimmten auch die Grünen im Rat dafür. Heute sind sie skeptischer, wie Ingrid Reuter, die Fraktionsvorsitzende im neu gewählten Rat, zugibt. Vor kurzem waren schon einmal große Hoffnungen mit einem Kultur- und Eventprojekt in der Stadt verbunden. Das „Dortmunder U“, ein ehemaliges Brauereigebäude, das mit seinem riesigen U auf den Dach zu den Wahrzeichen Dortmunds gehört, wurde mit Steuermitteln saniert und zum „Zentrum für Kunst und Kreativität“ ausgebaut. Das Projekt erwies sich schnell als Fass ohne Boden. 83 Millionen Euro kostete der Umbau zum Kulturzentrum, 30 Millionen mehr als geplant. Die Betriebskosten von jährlich 10 Millionen Euro belasten den Haushalt der Stadt dauerhaft. Dabei gab es so schöne Prognosen.
Solche gibt es auch für das Fußballmuseum. Zwei Wochen vor dem Spatenstich mit NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft und DFB-Präsident Wolfgang Niersbach wurde eine Studie vorgestellt, die das Museum als Wirtschaftsmotor und Jobmaschine für die Stadt sieht. Da ist von 250.000 Besuchern jährlich die Rede, die am Besuchstag im Schnitt über 35 Euro in der Stadt ausgeben werden, was zu jährlichen Steuermehreinnahmen von 1,5 Millionen Euro im Jahr führen würde. 280 Vollzeitarbeitsstellen würde das Museum generieren. Dortmunds Oberbürgermeister Ullrich Sierau (SPD) verweist gerne auf die tollen Zahlen der Studie, die man getrost als Gefälligkeitsgutachten bezeichnen kann. In Auftrag gegeben hat sie der Dortmund-Tourismus e. V., die „offizielle Tourismusmarketingorganisation der Stadt“, wie sich der Verein selbst bezeichnet. Die Zahlen, die er liefert, lesen sich wie ein naiver Rechtfertigungsversuch für das steuermitfinanzierte Ausstellungsprojekt.
Die Kommune Dortmund und das Land Nordrhein-Westfalen haben dem DFB viel Geld zugesagt und sich damit den Zuschlag für das Fußballmuseum regelrecht erkauft. Das Land sicherte einen Baukostenzuschuss von 18,5 Millionen Euro zu. Der DFB dankte es mit der Zusage, dass das Museum in NRW gebaut würde. Drei Städte bewarben sich. Köln schied aus, weil man nicht bereit war, für das Museum ein Grundstück herzuschenken bzw. in kostenloser Erbpacht für 99 Jahre zu überlassen. Das versprachen dagegen Dortmund und Gelsenkirchen. Der DFB-Bundestag stimmte dann für Dortmund als Standort.
Dort hat man schon eine halbe Million Euro für die Verlegung des zentralen Omnibusbahnhofs ausgegeben, der bis dato am Museumsstandort lag – mit der Hälfte hatte man kalkuliert. Die Baufreimachung des Grundstücks hat 5 Millionen Euro gekostet, ein Betrag, der bereitgestellt wurde in der Hoffnung, das Land werde davon 80 Prozent übernehmen. Der Förderungsbescheid indes steht noch aus. Was geschieht, wenn die Baukosten – ähnlich wie beim „Dortmunder U“ aus dem Ruder laufen, weiß keiner so recht. Der DFB will nicht mehr zahlen als die vereinbarten 17,5 Millionen, und auch das Land will seine Förderung nicht erhöhen. Das Risiko bliebe bei der Stadt Dortmund. Auch das ist ein Punkt, den der Bund der Steuerzahler heftig kritisiert.
Der DFB hat, so scheint es, die Stadt fest im Griff. Wie im Großen die Fifa, die große Turniere nur dann vergibt, wenn die Gastgeberländer alleine das Risiko tragen, hat der DFB im Kleinen agiert. Das Risiko wird dem Gemeinwesen übergeholfen. Kein Wunder, dass DFB-Boss Wolfgang Niersbach öffentlich verkündet, dass der Deal für keine Seite riskant sei. Beim symbolischen Spatenstich meinte er, die kalkulierten 250.000 Besucher seien ohnehin sehr konservativ gerechnet. Er versprach, kein Geld, das der DFB über seine gemeinnützigen Vereine einnimmt, in das Projekt zu investieren.
Gemeinnützige Gelder in ein Projekt zu investieren, das vom kulturellen und museumspädagogischen Standard her sowieso kein Museum ist, wäre in der Tat fragwürdig. Genau das nämlich hat die zuständige Bezirksregierung in Arnsberg festgestellt, schließlich handle es sich in keiner Weise um „wissenschaftliche Sammlungen oder Kunstsammlungen“. Auch diese Entscheidung, so richtig sie angesichts von geplanten Exponaten wie Bällen, Trikots oder den Badelatschen von Wolfgang Overath erscheinen mag, riecht nach Gefälligkeitspolitik. Ein Museum im klassischen Sinne ist, was die Umsatzsteuer betrifft, wie ein Endverbraucher zu betrachten. Die Umsatzsteuer muss gezahlt werden, sie kann nicht umgelegt werden. 19 Prozent der Baukosten würden an den Fiskus fließen. Das wollte in der Stiftung Fußballmuseum niemand. Und so entsteht jetzt in Dortmund ein Museum, das eigentlich gar keines ist.
Montag, 17. September 2012
Spiel mein Spiel
Es war ein grauenhaftes
Fußballwochenende. Das ZDF hat es auf den Punkt gebracht. Die
Bilderstrecke zum 3. Spieltag hat das öffentlich-rechtliche Portal
mit den Worten „Kick zwischen Kanzlerin und Kissinger“
überschrieben. Treffender geht’s nicht.
Der Frankfurter
Fußballrausch ist längst aus meinem Kopf verschwunden, die
Hoffenheimer Wiese-Blamage ebenfalls, der Bayern-Sieg sowieso. Dass
in Dortmund und Fürth Fußball gespielt wurde, das habe ich noch im
Kopf, aber wie die Spiele verlaufen sind, auch das ist irgendwie
verschwunden über all der Hofberichterstattung über Angela Merkel
und Henry Kissinger. Ich weiß, dass sie beinahe für Dortmund
geklatscht hätte, dass DFB-Boss Wolfgang Niersbach es schon wieder
geschafft hat, ganz in der Nähe seiner Kanzlerin ein Fußballspiel
anzusehen und wie rot Merkels Blazer war, habe ich auch noch vor
Augen.
Kaum ein Bericht über das Spiel war zu
sehen oder zu lesen, der nicht mit Angela Merkels Besuch in Dortmund
begonnen hätte. Jede Regung von ihr wurde kommentiert. So ist
zuletzt über die Queen berichtet worden, als sie in London die
Olympischen Spiele eröffnet hat. Gibt es da keinen Unterschied? Die
Kanzlerin wird behandelt wie ein Staatsoberhaupt. Das ist sie aber
nicht. Sie ist die Regierungschefin. Eine Politikerin im
Tagesgeschäft, die in einem Jahr zur Wiederwahl ansteht. Damit sie
nicht ausziehen muss aus dem Kanzleramt, wanzt sie sich an den
Fußball heran. Vor dem Start der EM hat sie dem deutschen
Nationalteam in deren Quartier in Danzig Glück für das Turnier
gewünscht. Und alle, allen voran Sami Khedira, Bastian
Schweinsteiger und Joachim Löw haben sich öffentlich darüber
gefreut. Keiner hat sich die Frage gestellt, wem so ein Besuch
wirklich etwas nützt, der Nationalmannschaft oder ihr.
Immer wieder habe ich mich über
Agenturmeldungen gewundert in denen nach dem Namen der Bundeskanzler
in Klammern auch immer ihre Parteizugehörigkeit angegeben wurde. Das
weiß doch eh jeder, habe ich mir gedacht. Warum war am Samstag in
fast keinem Bericht das eingeklammerte CDU zu finden? Angela Merkel
(CDU) hat es geschafft, dass sie – sobald sie ein Stadion betritt -
als überparteiliche Regentin wahrgenommen wird. Auch der Präsident
der Deutschen Fußallliga Reinhard Rauball (SPD) lässt sich für
Merkels Inszenierungen einspannen. Die „Geh deinen Weg“-Kampagne
der Deutschen Zeitungsverleger, mit der Migranten aufgefordert
werden, sich gefälligst zu integrieren, als sei das alles ganz
einfach hierzulande, mag der Anlass für Merkels Stadionbesuch
gewesen sein, das Anliegen der Kanzlerin war gewiss ein anderes.
Unvergessen sind die Bilder von ihr und Mesut Özil in der Kabine
eines südafrikanischen Fußballstadions, die ihr Amt gegen den
Willen des Spielers und des DFB umgehend veröffentlichen ließ.
„Spielt mein Spiel“ - das ist die eigentliche Kampagne der
Kanzelerin. Und viel zu viele spielen mit.
Nochmal: Der BVB hat nicht gewonnen,
weil Angela Merkel (CDU) ím Stadion war und die SpVgg Greuther Fürth
hat nicht verloren, obwohl Ex-US-Außenminister, Sozialistenhasser
und -bekämpfer Henry Kissinger (Republikaner) vor Ort war. Niemand
verlangt von Mike Büskens, dem Fürther Trainer, dass er weiß,
welche finstere Rolle Kissinger beim Putsch gegen den sozialistischen
chilenischen Präsidenten Salvador Allende gespielt hat. Aber warum
nur sagt der Mann in die Fernsehkameras, dass das Schöne an diesem
Tag sei, dass Kissinger sich in seinem hohen Alter noch für die
aktuellen Ergebnisse der Fürther interessiere. Soll er sich doch um
den Nichtabstieg kümmern und die elende Schleimerei unterlassen, mag
man sich denken. Wenigstens ist Kissinger ein Gestriger, der nicht –
bei uns schon gar nicht – zur Wahl steht.
Freitag, 1. Juni 2012
Verbrecher sitzen
Aus Fans, die auf den billigen Plätzen stehen, werden Verbrecher gemacht. Doch die Gefahr lauert in den Stadien anderswo: nämlich auf den gemütlichen Sitzen
Es ist noch kein Jahr her, da tobte in Deutschland eine
Sitzplatzdiskussion. Es ging um den Präsidentenstuhl. Sepp Blatter, der
Chef des Internationalen Fußballverbandes, hatte sich angeblich darüber
beschwert, dass der für ihn vorgesehene Stuhl im Frankfurter
Frauen-WM-Stadion nicht genau in der Verlängerung der Mittellinie
angebracht worden war. Es waren schwere Zeiten für den Fifa-Boss. Der
Kongress seines Verbandes kurz vor der Frauen-WM hatte einmal mehr
verdeutlicht, dass die Fifa eine Art Verbrecherorganisation ist. Und dann die Stuhldiskussion. Häme wurde ausgeschüttet über
den Fifa-Boss, der das mit dem Stuhl bald schon dementieren ließ. Er
hatte dann einen guten Sitzplatz unweit des damaligen Bundespräsidenten
Christian Wulff.
Derzeit tobt in Deutschland eine Stehplatzdiskussion.
Sicherheitspolitiker, allen voran Bundesinnenminister Hans-Peter
Friedrich, fordern die Abschaffung der Stehplätze. Von ihnen gehe zu
große Gefahr aus für Leib und Leben von Fans, Spielern,
Sicherheitspersonal und Polizei. In der Tat wird nicht selten gezündelt
auf den Tribünen. Viele Fans, die sich der Ultrabewegung zugehörig
fühlen, wollen nicht verstehen, dass es nicht erlaubt sein soll, Stadien
mit bunten Rauchwolken in stimmungsvolle Arenen zu verwandeln. Doch die
Bilder von brennenden Kurven erzeugen längst eine ganz andere Wirkung.
Sie stehen nicht für die Freude am Fußball, sie stehen für Gewalt. Aus
Fans, die bengalische Fackeln hochhalten, sind in der Wahrnehmung vor
allem der Sicherheitspolitiker längst Verbrecher geworden. Die Fans, die
zündeln, stehen auf den billigen Plätzen der Stadien. Die Abschaffung
der Stehplätze wird da schnell als Allheilmittel in der
Verbrechensbekämpfung gesehen. Aber stimmt eigentlich, was da verkündet
wird? Oder sind die wahren Verbrecher nicht eher auf den Sitzplätzen zu
finden?
Sepp Blatter, der Boss dieser schrecklich korrupten
Fußballfamilie, ist im Kreise der sitzenden Verbrecher eine kleine
Nummer. Die ukrainischen Staatslenker, die ihre politischen Gegner
wegsperren und Tausende Menschen auf den Polizeiwachen des Landes
foltern lassen, sind da schon ganz andere Kaliber. In einer gewöhnlichen
Stehplatzkurve eines Bundesligastadions ist gewiss weniger
verbrecherische Energie versammelt als auf den Ehrentribünen der
EM-Spiele in der Ukraine.
Unvergessen sind auch die Bilder von dem argentinischen
Diktator Jorge Rafael Videla, der sich sitzend die Spiele der Fußball-WM
1978 ansah, während in den Folterkellern des Landes unzählige Menschen
verschwunden waren. Die knapp 25.000 Menschen, die sich alle zwei Wochen
auf die riesige Südtribüne im Dortmunder Westfalenstadion stellen, sind
gewiss weniger angsteinflößend, als es die argentinische Folterdiktatur
war. Nein, die wahren Verbrecher sitzen auf den teuren Plätzen.
Warum fordert eigentlich niemand ein Sitzplatzverbot?
Freitag, 25. Mai 2012
Niersbach der Woche (4)
Diesmal ohne Kommentar. Der erübrigt sich einfach. Niemand sonst würde auf die Idee kommen zu sagen, dass Angela Merkel genauso ist wie Franz Beckenbauer. Unser Präsident im Interview mit der tz.
Frage: Sie treffen Politiker, Topleute aus der Wirtschaft, Prominente aus Sport und Unterhaltung. Wie bleibt man da normal?
Niersbach: Da brauchen Sie sich nur Franz Beckenbauer anzuschauen. Franz ist der normalste Mensch der Welt. Er hat null Allüren. Er ist pünktlich. Er ist zuverlässig. Er ist zu jedermann freundlich, egal, ob es der Taxifahrer, der Hotelportier oder der Bundespräsident ist. Da ist nichts Aufgesetztes. Franz ist ein Phänomen.
Frage: Dabei könnte er sich angesichts seiner Erfolge ein paar Allüren leisten…Niersbach: Ihm würde man das sogar ein wenig nachsehen. Aber das gibt es nicht bei ihm. Kürzlich war ich bei unserem ehemaligen DFB-Arzt Heinrich Heß zum 80. Geburtstag eingeladen. An dem Tag rief der Franz an. Ich sagte, Franz, wenn du da mitkommen würdest, würde der Heini sich sehr freuen. Franz sagte: Ja mei, mach’ ich. Rund 200 Leute waren da. Ich ging ans Mikro, sagte, dass ich Verstärkung mitgebracht hätte. Da ging die Tür auf, der Franz kam rein, und Jubel brach aus.Frage: Das sind Ausnahmen, oder nicht?Niersbach: Ich nenne gern einen anderen Namen: Bundeskanzlerin Angela Merkel.
Es geht um mehr als Fußball
Fangewalt - warum Sicherheitpolitiker brennende Stadien brauchen
Edmund Stoiber, Ex-Ministerpräsident,
Ex-Kanzlerkandidat, Ex-EU-Kritiker, überhaupt ganz Ex und irgendwie
FC Bayern, fordert, die Fans einzuzäunen. Davor hatte Dagmar
Freitag, die stellvertretende Vorsitzende des Deutschen
Leichtathletikverbandes und Vorsitzende des Sportausschusses im
Deutschen Bundestag die Abschaffung von Stehplätzen angeregt. Und
nun kommt der oberste Staatsanwalt der Republik und fordert
Fußfesseln für Fans. Harald Ranges Satz „Notorische Hooligans,
die als Rowdys bekannt sind, könnten eine elektronische Fußfessel
bekommen“ hat es in beinahe jedes Nachrichtenmedium geschafft.
Range, Stoiber, Freitag - was verstehen die eigentlich vom Fandasein?
Das mag sich mancher fragen. Egal - darum geht es schon lange nicht
mehr. Es geht um Politik. Der Fußball könnte einmal mehr zum
Vorreiter für eine repressive Sicherheitspolitik werden. Die
deutschen Landesinnenminister wissen, dass in Deutschlands Stadien
keine bürgerkriegsähnlichen Zustände herrschen. Sie benutzen das
Thema Fußballgewalt, um ihre sicherheitspolitischen Fantasien
durchzusetzen.
Es wäre nicht das erste Mal, dass
ihnen dies gelingt. 1994 wurde begonnen Daten von auffälligen
Fußballfans zu sammeln. Die Datei Gewalttäter Sport genoss ein
hohes gesellschaftliches Ansehen, das in den Tagen nach den mörderischen
Attacken auf den französischen Polizisten Daniel Nivel während der
WM 1999 in Frankreich noch weiter stieg. Gut so, das war Mehrheitsmeinung in
Deutschland, dass endlich rigoros gegen Hooliganismus eingeschritten
wird. Dass das Datensammeln gar nicht legal war, scherte kaum
jemanden. Noch immer fehlt eine echte Rechtsgrundlage für die
Sammelei von Bürgerdaten. Ein Problem sehen die Behörden da nicht -
denn sie wähnen die Politik und beim Thema Fußballgewalt auch die
Mehrheit der Bevölkerung hinter sich. Dass viele der über 13.000
Namen, die derzeit in der Datei erfasst sind, da nicht hingehören,
auch das schert niemanden. Wenn es der Sicherheit dient, dann wird
schon kein Proteststurm aufkommen, wenn einer das Land nicht
verlassen darf, weil sein Name irgendwie in die Datei gelangt ist.
Die Politik hat es seinerzeit geschafft, im Kampf gegen Hooligans
neue Sicherheitsmaßtäbe zu etablieren.
Die sind längst in anderen Bereichen
angekommen. Als sich im Juli 2001 deutsche Aktivistinnen und
Aktivisten auf den Weg machten, um in Genua anlässlich des
G7/G8-Gipfels zu demonstrieren, wunderten sich nicht wenige von
ihnen, dass sie an der Grenze aufgehalten wurden. Für die Behörden,
die längst ihre Daten gesammelt hatten, waren sie Polit-Hooligans.
Es wurde klar, warum der Bevölkerung die Bekämpfung der so
genannten Fangewalt als derart großer Erfolg verkauft wurde. Es ging
um die Verhinderung von Protest in einem ganz anderen Bereich.
Ein ähnlicher Prozess scheint in
Moment abzulaufen. Wie hart der Staat gegen Systemkritiker vorgeht,
war gerade in Frankfurt zu beobachten, als Demonstranten und
verhinderte Blockierer behandelt wurden wie Terroristen. Dass ihm die
Möglichkeiten zur Bekämpfung politischer Gegner nicht ausreichen,
das zeigt die Äußerung von Generalbundesanwalt Range. Es geht nicht
um den Fußball allein. Es geht um die Durchsetzung staatlicher
Gewalt im Allgemeinen.
Wenn dereinst dem ersten Fußballfan
eine Fußfessel angelegt wird, werden in den Medien Archivbilder von
rauchenden Stadien zu sehen sein. Gottlob, dass das jetzt verhindert
wird, mag sich dann manch braver Bürger denken.
Wenn dereinst den ersten politischen
Aktivisten Fußfesseln angelegt werden, wird man sehen, um was es den
beim Thema Fangewalt so lauthals zeternden Innenministern wirklich
gegangen ist.
Freitag, 11. Mai 2012
Niersbach der Woche (3)
Die Wahl war diesmal schnell getroffen.
Es geht und den DFB und sein Bier. Beinahe schon heimlich still und
leise haben Verbandspräsident Wolfgang Niersbach und die Manager der
Braufabrik Bitburger einen neuen Partnerschaftsvertrag abgeschlossen.
Bitburger beibt so genannter Premium-Partner des DFB. Einen
Pressetermin gab es nicht angesichts der Vertragsunterzeichnung. Der
DFB veröffentlichte ein Pressemitteilung auf seiner Website. Das
war's. Wolfgang Niersbach wird im Zusammenhang mit dem neuen
Bier-Deal so zitiert:
Mit Bitburger verbindet den DFB eine gute und bewährte Partnerschaft, deshalb freuen wir uns über die Verlängerung des Vertrages. Ein Kernelement bleibt dabei, dass die Werbemaßnahmen, in die auch die Nationalmannschaft eingebunden ist, klar auf alkoholfreie Produkte ausgerichtet sind.
Der DFB und sein Bier da war doch
was? Verwunderlich ist es jedenfalls nicht, dass der DFB die Presse
nicht zu einem kleinen Umtrunk mit alkoholfreiem Bier anlässlich des
Vertragsabschlusses eingeladen hat. Es hätten Fragen aufkommen
können. Im Oktober war über einen Streit im DFB berichtet worden.
Der damalige Verbands-Chef Theo Zwanziger stoppte die Verhandlungen
mit Bitburger. Er sah den Verband, der sich an der Kampagne der
Bundeszentrale für gesundheitliche Aufkläurung "Alkoholfrei
Sport genießen" beteiligt in einer moralischen Zwickmühle.
Bierwerbung, so seine Meinung damals, wirke da nicht glaubwürdig.
Zwanziger wurde dafür mit Häme überschüttet. Spätestens seit dem
Oktober wurde er in der Öffentlichkeit als machtbesessener Egomane
dargestellt, der dem armen Generalsekretär Niersbach, der so fleißig
am Vertragswerkl mit der Brauerei gearbeitet hatte, ins Werk pfuscht.
Zwanziger wurde regelrecht demontiert - so lange, bis er aufgab.
Wolfgang Niersbach stieg über der Brauerei-Affäre zum
folgerichtigen Kandidaten an der DFB-Spitze auf. Bier und Fußball
gehören zusammen heißt es immer wieder. Das Bier Fußballpräsidenten
machen kann, haben wir in den letzten Monaten erlebt.
Hätte es einen Pressetermin zum
Bitburger-Deal gegeben, eine weitere Frage wäre sicher unangenehm
geworden für den DFB-Präsidenten. Warum in aller Welt tut er nichts
dagegen, dass im offiziellen EM-Spot der Brauerei eine bunte Pyroshow
zu sehen ist? Beim DFB, wo der Einsatz von Pyrotechnik gerne als
Gewalt und bengalische Fackeln als gefährliche Waffen gelten, müsste
man das, was in dem Spot zu sehen ist, eigentlich als Gewaltexzess
bezeichnen. Oder ist das etwa der Aufgalopp zu einer neuen Runde im
Dialog mit den Fans, die nichts anderes wollen, als das, was in dem
Spot zu sehen ist: Stimmung machen? Das darf getrost verneint werden.
Der DFB bleibt in dieser Frage konsequent verlogen.
Oder hat man den DFB-Oberen, als man
ihnen den Spot präsentiert hat, größere Mengen alkoholhaltigen
Bieres verabreicht, und sie haben einfach nicht gecheckt, was sie da sahen? Was dazu wohl die Bundeszentrale für
gesundheitliche Aufkläurung sagen würde.
Montag, 7. Mai 2012
Und - was hättest du gemacht?
Immer wieder werde ich in den letzten Tagen gefragt, wie ich mit dem Thema EM und Menschenrechte umgegangen wäre, hätte man tatsächlich mich zum DFB-Chef bestimmt. Mal angenommen, mir wäre es nicht so gegangen , wie vielen Gewählten vor mir, und ich hätte mich nicht gleich mit der Wahl von einem denkenden Menschen zu einem funktionierenden Amtsträger gewandelt, ich hätte mich in erster Linie gegen die Einflussnahme der Bundesregierung auf den DFB verwahrt. Die Trennung von Staat und Fußball sollte ohnehin im Grundgesetz verankert werden. Das heißt in diesem Fall natürlich nicht, dass ich mich nicht mit der Situation in der Ukraine beschäftigt hätte. Ich hätte die Stiftung Wissenschaft und Poliotik zu Rate gezogen, deren Mitarbeiterin Susan Steward dem Deutschen Bundestag im Sportausschuss ein spektakuläres Thesenpapier vorgelegt hat, das mit dem Satz beginnt:
Darüber hinaus würde ich darüber nachdenken, welche Möglichkeiten der DFB hat, Nichtregierungsorganisationen, die sich mit der Lage in der Ukraine beschäftigen, auch finanziell zu unterstützen. Vielleicht ließe sich ja eine Monitoring-Stelle einrichten, die für die fußballinteressierte Bevölkerung die politische Situation in der Ukraine beobachtet und deren Ergebnisse im Pressezentrum des DFB in Danzig regelmäßig vorgestellt werden. Eine Ukraine-Sektion von Amnesty in Deutschland befindet sich erst im Aufbau. Auch dabei könnte der DFB helfen. Einen sportlichen Boykott würde ich ablehnen - das ist meine persönliche Meinung. Fußball kann nur dann wirklich politisch sein, wenn wirklich gespielt wird. Vielleicht sollte man aber den DFB-Bundestag darüber diskutieren (wäre mal was Neues) und abstimmen (wäre auch was Neues) lassen.
Ich bin mir jedenfalls sicher, dass ich nicht den Wauwau von Innenminister Friedrich spielen will. Sage ich jetzt einfach - aber das wird man ja wohl noch sagen dürfen.
Ach ja: Wie viele Tage sind es denn eigentlich noch bis zur nächsten Wahl des DFB-Präsidenten?
Vorrangiges Ziel der Uefa-EM für die Veranstalter ist die persönliche Breicherung der unmittelbar an den Vorbereitungen Beteiligten und ihrer Unterstützer.
Darüber hinaus würde ich darüber nachdenken, welche Möglichkeiten der DFB hat, Nichtregierungsorganisationen, die sich mit der Lage in der Ukraine beschäftigen, auch finanziell zu unterstützen. Vielleicht ließe sich ja eine Monitoring-Stelle einrichten, die für die fußballinteressierte Bevölkerung die politische Situation in der Ukraine beobachtet und deren Ergebnisse im Pressezentrum des DFB in Danzig regelmäßig vorgestellt werden. Eine Ukraine-Sektion von Amnesty in Deutschland befindet sich erst im Aufbau. Auch dabei könnte der DFB helfen. Einen sportlichen Boykott würde ich ablehnen - das ist meine persönliche Meinung. Fußball kann nur dann wirklich politisch sein, wenn wirklich gespielt wird. Vielleicht sollte man aber den DFB-Bundestag darüber diskutieren (wäre mal was Neues) und abstimmen (wäre auch was Neues) lassen.
Ich bin mir jedenfalls sicher, dass ich nicht den Wauwau von Innenminister Friedrich spielen will. Sage ich jetzt einfach - aber das wird man ja wohl noch sagen dürfen.
Ach ja: Wie viele Tage sind es denn eigentlich noch bis zur nächsten Wahl des DFB-Präsidenten?
Freitag, 4. Mai 2012
Niersbach der Woche (2)
Ukraine, Timoschenko und intelligente
Kerle, die von Oliver Bierhoff über die Lage im größeren der
beiden EM-Länder informiert werden. Wo ist er da nur
hineingeschlittert, unser Fußballpräsident? Ärgert er sich schon,
dass er sich von der Bundesregierung hat einspannen lassen in die
Kampagne für eine medizinische Behandlung der weggesperrten,
ehemaligen ukrainischen Ministerpräsidentin Julia Timonschenko in
Deutschland? Was sagt er wirklich zu seinem Ami Michel Platini, wenn
die beiden über die Ukraine reden? Wurmt es ihn, dass er in den
Tagen da Köln absteigen und Düsseldorf aufsteigen könnte, da die
beiden rheinischen Klubs sogar in der Relegation aufeinandertreffen
könnten, nicht einfach Fortune sein darf, auch wenn das vielleicht
nicht ganz präsidial (wenn der Bessere gewinnt, bin ich glücklich)
ist? Warum hört zur Zeit keiner hin wenn er anlässlich der
Vertragsverlängerung mit dem langjährigen
DFB-Schiedsrichtersponsors Sätze sagt wie:
Unsere Sponsoren leisten viel für die Entwicklung des Fußballs. Mit DEKRA verbindet uns besonders der Gedanke des Fairplay. Dafür sind wir auf gut ausgebildete Schiedsrichterinnen und Schiedsrichter angewiesen. DEKRA hilft, dass die deutschen Unparteiischen die an sie gestellten Anforderungen in vorbildlicher Weise erfüllen können. Unsere bald neunjährige gute Zusammenarbeit war stets von gegenseitigem Vertrauen geprägt. Dies wird auch in Zukunft so sein. Besonders freue ich mich, dass DEKRA den DFB künftig auch bei dessen verstärktem Engagement zum Thema Nachhaltigkeit unterstützt.
Es gibt nicht einmal halbwitzige
Nachfragen (Schiedsrichtersponsor, ich dachte das ist Ante Sapina).
Nichts. Der DFB macht gute Geschäfte und keinen interessiert es.
Auch mit einem der vier Präsmiunpartner des DFN wurde die
"Zusammenarbeit" verlängert:
Bei einer erfolgreichen Partnerschaft sind Kontinuität und Nachhaltigkeit entscheidend. Wir freuen uns, dass wir mit der Commerzbank auch weiterhin zusammenarbeiten
Ja, die Nachhaltigkeit, die ist schon
eine gute Sache. Für die gibt es im DFB auch einen eigenen
Vize-Präsidenten. Der heißt Karl Rothmund und kommt aus Langreder.
In sein Ressort fallen auch die Themen Antirassismus und Bekämpfung
von Schwulenfeindlichkeit. Darum hat sich zu Zeiten eines Theo
Zwanziger noch der Chef in Hause persönlich gekümmert. Aber das nur
nebenbei. Denn das eigentlich Interessante an den
Wirtschftschaftsmeldungen aus dem DFB in dieser Woche erfahren die
Interessierten nicht. Wieviel zahlen DEKRA und die vor gar nicht
allzu langer Zeit mit Steuermitteln gerettete Commerzbank eigentlich
für ihre Partnerschaft mit dem DFB?
Bevor Wolfgang Niersbach solche Fragen
beantwortet, sagt er vielleicht doch lieber irgendetwas über
Menschenrechte, Timoschenko und dass der DFB immer an der Seite der
Bundesregierung steht. Es geht hier schließlich um vertrauensvolle
Zusammenarbeit - und die ist im Zweifel doch wichtiger als
irgendwelche Menschenrechte in irgendeinem Land, das sowieso keiner
kennen würde, wenn da nicht diese EM stattfände.
Dienstag, 1. Mai 2012
Angepasst politsch - der neue DFB
Folgender Text geht über das, was im Niersbach der Woche steht noch ein wenig hinaus. Vielleicht interessiert es:
Zuvor hatte sich die Regierung die Unterstützung der Fußballfunktionäre für ihr Projekt längst gesichert. Wolfgang Niersbach sagt dazu: „Der Fußball muss sich an die Seite der Politik stellen, wenn es um Grundwerte im menschlichen Miteinander geht.“ Seit mehreren Wochen steht der DFB in engem Kontakt mit dem Auswärtigen Amt und dem Menschenrechtsbeauftragten der Bundesregierung, Markus Löning.
Zuvor hatte sich die Regierung die Unterstützung der Fußballfunktionäre für ihr Projekt längst gesichert. Wolfgang Niersbach sagt dazu: „Der Fußball muss sich an die Seite der Politik stellen, wenn es um Grundwerte im menschlichen Miteinander geht.“ Seit mehreren Wochen steht der DFB in engem Kontakt mit dem Auswärtigen Amt und dem Menschenrechtsbeauftragten der Bundesregierung, Markus Löning.
Es
ist ein eingespieltes Ritual. Immer wenn die Spieler der deutschen
Fußballnationalmannschaft auf eine Partie eingestimmt werden, dann
bekommen sie nicht nur eine Unterrichtsstunde in Taktik, sondern auch
landeskundliche Infos. Philipp Lahm und Kollegen lernen dann, dass
Spanier stolz, aber fair, oder Argentinier heißblütig und fies sein
können. Vor der Europameisterschaft, die im Juni beginnt, bekommen sie
nun Unterricht in Sachen Ukraine, wo sie alle drei Vorrundenspiele
bestreiten werden.
„Das gehört zu einer professionellen
Vorbereitung dazu“, sagt DFB-Präsident Wolfgang Niersbach. Die Spieler
sollen wissen, wo der Deutsche Fußball-Bund in der Frage der
Menschenrechte im EM-Gastgeberland Ukraine steht. Die Haltung des
Verbandes hat Niersbach deutlich zum Ausdruck gebracht: „Der DFB steht
ein für die Einhaltung der Menschenrechte, die Unabhängigkeit der Justiz
und die Meinungs- und Pressefreiheit.“
Über diese Haltung haben sich nicht wenige
gewundert. Wie kann es sein, dass die deutsche Fußballprominenz
plötzlich zu Menschenrechtsaktivisten wird? Hans-Joachim Watzke,
Geschäftsführer des deutschen Fußballmeisters Borussia Dortmund, hat mit
seiner Ankündigung, EM-Spiele in der Ukraine zu boykottieren, eine
wahre Lawine losgetreten. Man könne die zahlreichen Interviewanfragen
nicht mehr bearbeiten. Derweil fordert Uli Hoeneß, Boss des FC Bayern,
Michel Platini, den Präsidenten der Europäischen Fußball-Union Uefa, im Spiegel dazu auf, die Ukraine deutlich zu kritisieren. Auch die Spieler sollten ruhig das Wort ergreifen.
Undenkbar wäre so etwas vor vier Jahren
gewesen, als der Deutsche Olympische Sportbund vor den Olympischen
Spielen in Peking seinen Athleten regelrecht verboten hatte, sich
während der Spiele kritisch zum KP-Regime in Peking und der Tibetfrage
zu äußern. Deutsche Politiker, von Rot über Grün bis zu Gelb und
Schwarz, hatten keine Probleme, in den Stadien und Hallen in Peking gute
Miene zu den Spielen zu machen.
Doch die Lage in diesen Tagen ist eine gänzlich andere. Die
Bundesregierung will die Ukraine unter Druck setzen und erwirken, dass
die inhaftierte ehemalige Ministerpräsidentin Julia Timoschenko, die
sich im Hungerstreik befindet, zur notwendigen ärztlichen Betreuung in
die Bundesrepublik überstellt wird. Wie der Spiegel berichtet,
wolle Bundeskanzlerin Angela Merkel den Spielen der deutschen
Nationalmannschaft in der Ukraine wohl fernbleiben, falls Timoschenko
bis zur EM nicht freigelassen werde. Das Kanzleramt bestätigte dies am
Sonntag indirekt.
Merkels Sprecher Steffen Seibert hatte
einen möglichen Boykott der Regierungsmannschaft bereits am Freitag
angedeutet. Eine Ausnahme könnte für Innen- und Sportminister Hans-Peter
Friedrich (CSU) gelten. „Der Minister ist eben Sportminister und großer
Fan der deutschen Nationalmannschaft“, erläuterte sein Sprecher am
Freitag.
Thomas Bach, dem Präsidenten des
Deutschen Olympischen Sportbundes, scheint das Engagement des DFB nicht
ganz geheuer zu sein. Zwar würdigt er die Rolle der Fußballer im Fall
Timoschenko, er sagt aber auch: „Der Sport darf nicht zum Knüppel der
Politik werden.“ Für ihn muss der Sport neutral sein, wenn er „in
politischen und Menschenrechtsfragen nachhaltig positiv wirken will“.
So sehen es auch die Veranstalter von der Uefa. Aus der
DFB-Zentrale in Frankfurt heißt es, der Verband bemühe sich, Michel
Platini zu einer kritischen Haltung der Ukraine gegenüber zu bewegen.
Vergeblich. Auf Anfrage der taz schickte die Uefa ihre wohlbekannte
Stellungnahme zum Thema: „Die Nichteinmischung in politische
Angelegenheiten einerseits und der Schutz der Nationalverbände vor
jeglicher politischer Einmischung andererseits ist eine zwingende
Voraussetzung, um einen reibungslosen Ablauf von Wettbewerben zu
gewährleisten und dafür zu sorgen, dass der Fußball jedermann zugänglich
ist und überall gespielt werden kann.“
Basta! Kein Wort zur Situation in der
Ukraine, die jetzt sogar Russlands Nochpräsident Dmitri Medwedjew
kritisiert, indem er den Umgang mit Oppositionsführerin Timoschenko als
„völlig inakzeptabel“ bezeichnet hat.
Menschenfreunde unter sich. Dass der
Verband über sein Ukraine-Engagement nicht zu einer
Menschenrechtsorganisation geworden ist, wurde indes am Freitag
deutlich. Der DFB verkündete, sich nicht für die Austragung der
Fußball-EM 2020 zu bewerben. Die Türkei bleibt damit einziger Bewerber.
Die Gelegenheit, das Land für seine massiven Menschenrechtsverletzungen
zu kritisieren, ließ der DFB ungenutzt.
Und die Vergabe der WM 2022 nach Katar wird
vom DFB zwar kritisiert, dabei geht es aber allein um die klimatischen
Bedingungen und keineswegs um die Grundrechte, um die es im Emirat nicht
gerade gut bestellt ist. Wenn sich der Sport nicht von der Politik
instrumentalisieren lässt, verhält er sich so unpolitisch wie eh.
Freitag, 27. April 2012
Niersbach der Woche (1)
Es geht los. Der Niersbach der Woche ist ziemlich spktakulär. Es geht um Sport und Politik und stammt aus dem auf dfb.de veröffentlichten Interview mit dem Präsidenten zum Uraine-Timoschenko-Komplex.
Unsere Position ist eindeutig: Der DFB steht ein für die Einhaltung der Menschenrechte, die Unabhängigkeit der Justiz und die Meinungs- und Pressefreiheit.
Hört, hört! Ein deutscher Sportverband macht in
Politik. Das ist ein Wort! Kann das sein? Der Sport
zeigt Haltung? Können wir jetzt öfter mit Einlassungen des DFB rechnen,
wenn Spiele oder Turniere anstehen, die in Ländern stattfinden, in denen
Grundrechte mit Füßen getreten werden?
Die klare Haltung des DFB vor der
Europameisterschaft in der Ukraine - das Einfordern humanitärer Standards
im Gastgeberland - ist nicht in der Frankfurter DFB-Zentrale entwickelt
worden. Der DFB folgt der Bundesregierung in ihrem Engagement für die
inhaftierte frühere ukrainische Ministerpräsidentin Julia Timoschenko.
Der Fußball ist damit, so wie er es immer war, äußerst staatstragend.
Im Fall Timoschenko hat sich die Bundesregierung
die Unterstützung des Fußballs eingeholt, um den politischen Druck, den
sie auf die ukrainische Regierung ausübt, zu verstärken. Das ist gut,
wenn dabei mehr herauskommt als das Klopfen auf die eigenen Schultern,
sollte Julia Timoschenko tatsächlich zur medizinischen Behandlung nach
Deutschland reisen dürfen.
Aber gesagt ist gesagt. Der DFB wird sich
an seinen Worten messen lassen müssen. Seit dieser Woche befindet er
sich im Kampf für Gerechtigkeit und Humanität in der Welt.
Doch der Verband hält seine Waffen für stumpf.
Bei der Europäischen Fußball-Union, dem EM-Veranstalter, könne man
nichts ausrichten, heißt es aus Frankfurt. Es wird nicht einmal
versucht, die Uefa zu einer Haltung zu bewegen. Eine schwache Leistung
der neuen deutschen Gutkicker.
Montag, 23. April 2012
Kampfansage an die Fankultur
Und hier habe ich mal wieder in der taz über den DFB geschrieben. Es geht auch um die von DFB-Boss Niersbach sehr deutlich angekündigte Auswechslung des Stadionpublikum.
Ein
Spiel zwischen dem FC St. Pauli und dem FC Hansa Rostock ist ein
„spezieller, hochriskanter Einzelfall“. Das hat das Hamburger
Verwaltungsgericht in seiner Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der
Aussperrung von Rostocker Fans vom Spiel am Sonntag am Millerntor
festgestellt.
Zu viel sei in der Vergangenheit
passiert. Das klingt so, als müsse man sich keine Sorgen machen, dass
andere Derbys in nächster Zukunft ebenfalls von polizeilichen
Sondermaßnahmen betroffen sein könnten. Das Hamburger Gericht geht nicht
davon aus, dass in naher Zukunft mit einer Häufung von Geisterspielen
und Fanaussperrungen zu rechnen ist.
Dabei wäre es ein Leichtes, auch dem großen
Nordderby zwischen dem Hamburger SV und Werder Bremen, dem Duell
zwischen Mönchengladbach und Köln oder einer Partie zwischen Eintracht
Frankfurt und dem 1. FC Kaiserslautern ein spezielles
Hochrisikopotenzial zu attestieren. Werden behördlich angeordnete
Fanaussperrungen bald doch zum Alltag in der Liga?
Mit Spannung wird das Urteil des
Oberverwaltungsgerichts erwartet, das sich nun grundsätzlich mit der
Frage befassen wird, ob derartige Polizeimaßnahmen zulässig sind und
inwieweit ein Veranstalter eines Sportereignisses für das haften muss,
was im Umfeld seiner Veranstaltung passiert. Es geht also auch um die
Frage, ob der gastgebende Klub als Veranstalter für Störungen haftbar
gemacht werden kann, auch wenn diese gar nicht von ihm ausgehen, ob er
für Kosten, die für die Gefahrenabwehr anfallen, aufkommen muss,
inwieweit er schadensersatzpflichtig wird, wenn etwas passiert.
„Die Klärung dieser grundsätzlichen Frage in der Tiefe, die
aufgrund der weitreichenden Folgen für die Verhaltenspflichten und
Kostenhaftung des Veranstalters eines Fußballspiels geboten ist, kann
nur im Hauptsacheverfahren erfolgen“, heißt es im Urteil des
Verwaltungsgerichts.
Ein so genanntes Hochrisikospiel
könnte zum finanziellen Desaster für den gastgebenden Klub werden.
Deshalb erwarten die Bundesligaklubs die Entscheidung des
Oberverwaltungsgerichts durchaus mit Sorge. Doch gemach! Es wird schon
kein Derby abgesagt werden. Dem organisierten Fußball wird schon etwas
einfallen, um die Spiele durchführen zu können.
Es wird längst an einer Art
Publikumstausch in den Stadien gearbeitet. DFB-Präsident Wolfgang
Niersbach benutzt ganz bewusst immer wieder das Wort Terror, wenn er
über Fans spricht, und sieht längst das Ende der Stehplatzherrlichkeit
in deutschen Stadien nahen. Hannovers Präsident Martin Kind spricht
davon, dass er die Strafen, die er für Fehlverhalten der 96-Fans zahlen
muss, dadurch kompensieren will, dass er endlich die billigen
Stehplatztickets abschaffen will. Über die Ticketpreise sollen Ultras
und Problemfans von den Stadien ferngehalten werden.
Liga und DFB scheinen zudem eine totale Fankontrolle anzustreben
und würden gerne mit der Sitzplatznummer Name und Adresse des
Sitzplatzinhabers speichern. Dass derartige Maßnahmen nicht nur von
völligem Unverständnis für die Ultra-Bewegung zeugen, sondern eine
regelrechte Kampfansage an die Fankultur darstellen, scheint Niersbach
billigend in Kauf zu nehmen. Immer wieder schwärmt er von der Stimmung
bei der Männer-WM 2006 und lobt die tolle Atmosphäre bei der Frauen-WM
2011.
Letztere mag ein tolles Turnier
gewesen sein. Wer aber kreischende Kinder in einem schlecht besetzten
Stadion der Derbystimmung in einem Spiel der Männerbundesliga vorzieht,
der hat nicht verstanden, dass Fußball mehr ist als ein Ballspiel zweier
Teams auf einem begrenzten Rasengeviert.
Wieder da!
Nach ein paar Wochen Urlaub soll an dieser Stelle wieder auf den DFB geschaut werden. Und eine Rubrik soll es auch geben, den "Niersbach der Woche". Schaumer mal, was dabei rauskommt.
Freitag, 9. März 2012
Kochs Comeback
Nach der ersten Präsisdiumssitzung unter dem neuen Chef, wird der vom Theo Zwanziger entmachtete Vize Rainer Koch, rehabilitiert
Im November, als der DFB verkündete Rainer Koch, der bis dato im Präsidium für Rechtsfragen zuständig war, werde sich fürderhin um den Breitensport kümmern, da waren sich alle einig. Theo Zwanziger hatte den Chef des bayerischen Fußballverbands entmachtet. In den diversen Schiedsrichteraffären, vor allem in der um den ehemalige Schiedsrichter-Obmann Manfred Amerell, hatten sich Koch und Zwanziger immer wieder widersprechen. Der eine hat dem anderen vorgeworfen, die zuständigen Gremien nicht oder zu spät beziehungsweise falsch informiert zu haben. Der andere warf dem einen das Gleiche vor. So sollte es nicht weitergehen im Präsidium. Koch bekam die Zuständgkeit für Prävention, Integration, Freizeit- und Breitensport im Verbandspräsidium übertragen. Rolf Hocke, der sich bis dahin um dies Belange gekümmert hatte, übernahm die Bereiche Recht und Satzung. Kurz darauf verkündete Zwanziger seinen Rücktritt. Koch brachte sich schnell in Position und brüstete sich damit, der erste gewesen zu sein, der Wolfgang Niersbach als DFB-Präsidenten vorgeschlagen habe. Der Lohn dafür ließ nicht lange auf sich warten. Der DFB teilte nur eine Woche nach der Wahl Niersbachs und der ersten Präsidiumssitzung unter dem neuen Chef mit:
Wers glaubt ...
Im November, als der DFB verkündete Rainer Koch, der bis dato im Präsidium für Rechtsfragen zuständig war, werde sich fürderhin um den Breitensport kümmern, da waren sich alle einig. Theo Zwanziger hatte den Chef des bayerischen Fußballverbands entmachtet. In den diversen Schiedsrichteraffären, vor allem in der um den ehemalige Schiedsrichter-Obmann Manfred Amerell, hatten sich Koch und Zwanziger immer wieder widersprechen. Der eine hat dem anderen vorgeworfen, die zuständigen Gremien nicht oder zu spät beziehungsweise falsch informiert zu haben. Der andere warf dem einen das Gleiche vor. So sollte es nicht weitergehen im Präsidium. Koch bekam die Zuständgkeit für Prävention, Integration, Freizeit- und Breitensport im Verbandspräsidium übertragen. Rolf Hocke, der sich bis dahin um dies Belange gekümmert hatte, übernahm die Bereiche Recht und Satzung. Kurz darauf verkündete Zwanziger seinen Rücktritt. Koch brachte sich schnell in Position und brüstete sich damit, der erste gewesen zu sein, der Wolfgang Niersbach als DFB-Präsidenten vorgeschlagen habe. Der Lohn dafür ließ nicht lange auf sich warten. Der DFB teilte nur eine Woche nach der Wahl Niersbachs und der ersten Präsidiumssitzung unter dem neuen Chef mit:
Der Bereich Rechts- und Satzungsfragen fällt mit sofortiger Wirkung zurück an Dr. Rainer Koch, der im Gegenzug das Gebiet Prävention, Integration, Freizeit- und Breitensport an Rolf Hocke übergibt. Erweitert wird der Bereich Rechts- und Satzungsfragen um das inhaltlich eng angebundene Aufgabenfeld Integrität des Wettbewerbs einschließlich Frühwarnsysteme.
Und damit ja niemand auf die Idee kommt, dass es im DFB irgendwann irgendwelche Meinungsverschiedenheiten zwischen den handelnden Personen gegeben haben könnte, schob der DFB diesen Satz in seiner Pressemitteilung nach:
Der Rücktausch der Ressortzuständigkeiten zwischen Dr. Rainer Koch und Rolf Hocke wurde in Abstimmung mit dem ehemaligen DFB-Präsidenten Dr. Theo Zwanziger vollzogen.
Die Auswahl am Abend
Wie sehr sich der DFB und seine Nationalmannschaft verkauft haben
Um 18 Uhr wollte Joachim Löw am 1. Juni gegen Israel spielen lassen. Dann hätte er seine Spieler nach Hause geschickt, bevor es nach Danzig ins EM-Quartier gegangen wäre. Da wollte die ARD nicht mitmachen. Nur im Abendprogramm gibt es die ganz guten Quoten. Nun hat man sich geeinigt. Das Spiel wurde auf den 31. Mai vorverlegt. In der Presseaussendung des DFB bedankt sich der Verband für das Entgenkommen der ARD und zitiert Programm-Chef Volker Herres.
„Wir stellen den Sendeplatz zur Primetime am Donnerstag zur Verfügung und kommen damit den Wünschen des Bundestrainers nach. Gleichzeitig profitieren Millionen von Zuschauern, die um 18 Uhr keine Möglichkeit gehabt hätten, das Spiel live im Fernsehen zu verfolgen. Das Ergebnis zeigt, dass wir mit dem DFB und dem neuen Präsidenten Wolfgang Niersbach an der Spitze ein freundschaftliches und sehr intaktes Vertrauensverhältnis pflegen.“
Schön verdreht. Gut, dass die Verschiebung auch den Juden zugutekommt. Der neue DFB-Generalsekretär Helmut Sandrock dazu:
“Für den Israelischen Fußball-Verband ist der Donnerstag sogar günstiger. Denn am Freitagabend beginnt bei Sonnenuntergang der Sabbat, der heilige Ruhetag. Viele Juden in Deutschland und besonders in Israel hätten sich das Spiel nicht anschauen können”
Bevor sich die ARD geweigert hat, das Spiel um 18 Uhr zu übertragen, wäre darauf niemand im DFB gekommen.
Donnerstag, 8. März 2012
Der einzige Niersbach
Warum Thüringens Fußballverbandschef für Niersbach gestimmt hat.
In der Thüringer Allgemeinen hat Rainer Milkoreit Auskunft gegeben:
Welche Qualitäten hat Nachfolger Wolfgang Niersbach?
Er kennt den Verband und das Umfeld seit Langem - war der Einzige, der infrage kam. Eine bessere Lösung kann man in dieser Situation nicht finden.
Was wird er anders machen? Freitag folgt die erste Präsidiumssitzung. Ich glaube, dass er etwas andere Vorstellungen haben wird, was die Aufteilung der Arbeit von Haupt- und Ehrenamt anbelangt. Der Verband wird ja immer komplexer. Das sind Dimensionen im Prinzip fast wie bei einem Bundesliga-Klub oder Großunternehmen aus der Wirtschaft.
Der hässliche Krieger
Paolo Guerrero wird als Scheusal dargestellt - auch weil er einmal eine Flasche nach einem Fan geworfen hat. Mit Eric Cantonas Kung-Fu-Tritt wird er fast nie in Zusammenhang gebracht. Warum eigentlich nicht?
Das Urteil gegen den Peruaner, der am
vergangenen Wochenende den Stuttgarter Torhüter Sven Ulreich so brutal
gefoult und dafür vom Platz gestellt worden war, wurde am Dienstag
gefällt. Sieben Wochen Sperre. Der DFB teilte mit: "Das
Sportgericht des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) hat den Spieler
Paolo Guerrero vom Bundesligisten Hamburger SV im
Einzelrichterverfahren nach Anklageerhebung durch den
DFB-Kontrollausschuss wegen einer Tätlichkeit gegen den Gegner mit
einer Sperre von sieben Wochen bis einschließlich 22. April 2012
belegt." Das Urteil ist rechtskräftig. Spieler und Klub haben
es akzeptiert. Schade eigentlich. Denn so wird es nie eine
Verhandlung zu dem Fall geben. Gerne hätte man mehr erfahren
darüber, warum die Blutgrätsche als Tätlichkeit gewertet wird,
warum dies in anderen Fällen nicht der Fall war. Auch hätte man
sich intensiver mit der Person Guerrero beschäftigen müssen, der
als wahres Fußballscheusal durch die Presselandschaft getrieben
wurde, was den Einzelrichter in seiner Urteilsfindung durchaus
beeinflusst haben könnte.
Als widerliche Brutalotype musste sich
Guerrero schon einmal landauf landab beschimpfen lassen. Die
Flaschenwurf-Affäre hängt dem Stürmer immer noch nach. Im Frühling
des Jahres 2010 hatte Guerrero einem Zuschauer, der ihn nach der
Partie des HSV gegen Hannover 96 beschimpft hatte, eine
Plastikflasche an den Kopf geschmissen. Dafür wurde er hart
bestraft. Fünf Spiele Sperre, 20.000 Euro Geldstrafe an den DFB und
um die 100.000 Euro Geldstarfe von seinem Klub. Guerrero hatte sich
provozieren lassen. Der Fan, dem er die Flasche an den Kopf
schleuderte, soll den Peruener als "schwule Sau" beschimpft
haben und ihm geraten haben, doch in seine Heimat zurückzukehren.
Das wurde kaum skandalisiert. das ist der Skandal an der Affäre
Flaschenwurf.
Vergleiche mit dem Eric Cantona hat
damals kaum einer gezogen. Der gilt ganz im Gegensatz zu Guerrero
beinahe schon als Fußballheiliger, obwohl sein Kung-Fu-Tritt gegen
einen Zuschauer sicher ebenso unsportlich war wie Guerreros Grätsche
gegen Ulreich am Wochenende. Cantona hat am 25. Januar 1995 im Spiel
von Manchester United gegen Crystal Palace mit seinem Tritt eine
Diskussion über Rassismus in den Stadien ausgelöst. Auch er hatte
sich provozieren lassen. Er wollte sich die rassistischen Pöbeleien
des Fans nicht länger anhören. Dafür wird er bis heute zu Recht
gefeiert. Für den Tritt wurde er zurecht ein halbes Jahr gesperrt.
Dem Ausraster folgten in England lange
Debatten über die Zumutungen, denen sich viele Profis an jedem
Wochenende in den Stadien ausgesetzt sehen. Die englische Liga begann
sich mit dem Rassismus-Problem zu beschäftigen. Eine lange Reihe
zunächst erfolgreicher Programme wurde gestartet, deren Ziel es sein
sollte, das Stadion für die Profis zu einem angstfreien Raum zu
machen. Wie schwer es ist, den Rassismus dauerhaft aus den Stadien zu
bannen, zeigen die Fanbekundungen, mit denen der urugayische Pöbler
Luis Suarez bisweilen gefeiert wird, seitdem er Patrice Evra in
einem Premier-League-Spiel rassistisch beleidigt hat. Ein neuer
Cantona täte hier sicher gut.
Eine Diskussion über Rassismus und
Homophobie in den Stadien hätte auch auf den Flaschenwurf Guerreros
folgen können. Hierzulande gelten Fußballer aber als charakterlich
besonders feine Kerle nur dann, wenn sie die Klappe halten. Und so
hat niemand Guerrero dazu aufgefordert, öffentlich über die
Beleidigungen zu sprechen, die er sich an diesem Tag hat anhören
müssen, die er sich wahrscheinlich des öfteren anhören muss.
Montag, 5. März 2012
Und tschüs!
Dieser Text von mir stand am Samstag in der taz. Da habe ich angekündigt, dass ich den DFB nach der Wahl von Wolfgang Niersbach weiter kritisch begleiten werde. Das soll nun regelmäßig an dieser Stelle geschehen. Für Anregungen bin ich dankbar und freue mich über alle, die sich daran beteiligen wollen, den DFB unter die Lupe zu nehmen.
Aus. Es ist vorbei.
Wolfgang Niersbach ist der neue Präsident des Deutschen Fußball-Bundes.
Herzlichen Glückwunsch an den Sieger! Als solcher stand er schon vor
der sogenannten Abstimmung im DFB-Bundestag fest. Meine Kandidatur war
gescheitert, bevor die sogenannten Delegierten gefragt wurden, wer der
neue DFB-Boss werden soll. Ich wurde von keinem der Landesverbände, von
keinem Regionalverband, so wie es die Satzung vorschreibt, nominiert.
Über mich konnte nicht abgestimmt werden.
Von einer Niederlage möchte ich aus diesem Grund nicht
sprechen. Verloren habe nicht ich, verloren hat einmal mehr der
organisierte Fußball in Deutschland. Mit meinen Ansinnen, DFB-Präsident
zu werden, wollte ich den Machern im Verband auch die Chance geben,
über dessen Verfasstheit nachzudenken. Doch eine Diskussion über eine
mögliche Demokratisierung des Verbandes hat auf der Versammlung vom
Freitag, die sich den Namen Bundestag gegeben hat, nicht stattgefunden.
Es war ein trauriger Tag für den deutschen Sport.
Der DFB hat sich einmal mehr präsentiert wie eine
Operettendiktatur. Statt Fantasieuniformen für die Führungsriege gab es
sogar einen echten Orden. Bundesinnen- und Sportminister Hans-Peter
Friedrich zeichnete den zurückgetretenen Alt-DFB-Chef Theo Zwanziger
mit höchsten bundesrepublikanischen Würden aus. Die Politik, die für
demokratische Werte stehen sollte, nutzte das Frankfurter
Scheinparlament als Gutelauneforum, um ihre Nähe zum deutschen
Nationalsport zu demonstrieren.
Ehemalige Edelkicker, auch der Bundestrainer strahlten in
die Kameras und klatschten dem neuen Chef freundlich zu, ehe sie
unmittelbar nach der Veranstaltung wieder in irgendwelche Flugzeuge
stiegen und nach Hause flogen. Wie praktisch, dass der Bundestag in
einer Nobelabsteige direkt am Rande des Flugfeldes am Frankfurter
Großflughafen stattgefunden hat (Postanschrift: Unterschweinstiege 16).
Zeit für Gespräche über den deutschen Fußball war nicht vorgesehen.
Eine kurze Pressekonferenz - und tschüs!
War's das jetzt? Klar, meine Wahlkampagne ist zu Ende. Was
aber nicht aufhören darf, ist die kritische Beobachtung des Verbandes.
Die werde ich mit journalistischen Mitteln weiterführen. Die Foren auf
Facebook und Twitter, mit denen ich für mich als DFB-Präsidenten
geworben habe, sollen weitergenutzt werden und als DFB Watch ein
Service für all diejenigen sein, die sich über den Verband informieren
wollen. Themen aus dem Inneren des DFB, auch solche, die den
Amateurfußball betreffen, Diskussionen, die es vielleicht nicht in die
aktuelle Sportberichterstattung schaffen, sollen dort ihren Platz
haben. Aber auch die Debatten, die vor einer großen Öffentlichkeit
verhandelt werden, der Umgang mit den Fans etwa oder die
Durchkommerzialisierung des Fußballs, sollen auf DFB Watch
weitergeführt werden. Alle, die Lust haben, sich an Diskussionen über
den Megaverband zu beteiligen, sind aufgerufen, dies auf via DFB Watch
zu tun.
Mir geht es nicht darum, Wolfgang Niersbach so lange vor
mir herzutreiben, bis ich seinen Skalp präsentieren kann. Auch wenn ich
froh bin, nicht sein Freund zu sein - er ist nicht mein Feind. Der
Wahlkampf ist vorbei. Ich kehre zurück an meinen
Redaktionsschreibtisch. Der Sieger muss sich nun beobachten lassen -
auch von mir. Sein Schaffen zu beschreiben, zu analysieren und - wo es
angebracht ist - zu kritisieren wird Teil meiner Arbeit sein. Packen
wir's an!
Verschiebung nach oben
DFB Schon bei seinem ersten Aufritt als Präsident macht Wolfgang
Niersbach klar, wo seine Schwerpunkte liegen. Der Amateurfußball wird
sich wohl hinten anstellen müssen
Eigentlich war die Antwort eine Unverschämtheit. Welche Themen er denn in den Mittelpunkt seiner Arbeit stellen wolle, wurde Wolfgang Niersbach gefragt, nachdem er zum neuen Präsidenten des deutschen Fußball-Bundes gewählt worden war. "Den Fußball", sagte er und der Fragesteller war beinahe so schlau als wie zuvor. Und doch hatte Niersbach mit dieser Nichtantwort noch einmal klargemacht, dass er das Amt anders interpretieren wird als sein Vorgänger Theo Zwanziger. Der legte in Frankfurt noch einmal einen seiner typischen Auftritte hin. In aller Ruhe bilanzierte er seine Arbeit und bedankte sich bei seinen Mitarbeitern. Nur einmal erhob er die Stimme. Laut und eindrücklich mahnte er die versammelte Fußballprominenz zum Kampf gegen Rassismus, Antisemitismus und Homophobie und zeigte einmal mehr, dass er zu den wenigen Autoritäten in Deutschland gehört, die diese Themen auch dann ansprechen, wenn nicht gerade irgendwo ein rassistischer, antisemitischer oder schwulenfeindlicher Exzess in den Medien diskutiert wird. Viel mehr als einen freundlichen Applaus hat er von den Delegierten dafür nicht bekommen. Viele von ihnen dürften froh sein, dass sie nun endlich einen an der Spitze stehen haben, für den Fußball nicht viel mehr ist als Sport und Geschäft. Natürlich weiß Niersbach, was sich gehört für einen Präsidenten des DFB. Die antisemitischen Pöbeleien von Fans des 1. FC Kaiserslautern gegen den israelischen Stürmer Itay Shechter hat er Mitte der vergangenen Woche schnell und deutlich verurteilt. Niersbach hat richtig reagiert - ob er bei den gesellschaftlich so wichtigen Themen auch agieren will, das bleibt abzuwarten. In Frankfurt vor dem Plenum war er jedenfalls nicht in der Lage, beim Namen zu nennen, was in Kaiserslautern passiert war, und sprach diffus von Vorfällen. Was er beschwor, war nicht die gesellschaftliche Verantwortung des Fußballs. Er predigte die "Einheit des Fußballs" und kündigte an, dass er alles dafür tun wolle, damit sich der Profifußball nicht irgendwann doch noch loslöst vom guten, alten Vereinsfußball. Dass die Welt der Reichen und auch am Ende des Winters meist gut gebräunten Manager und Vorstände der Profiklubs nicht viel zu tun hat mit den ehrenamtlichen Machern des Amateurfußballs, das war in den Hallen des Hotels, in dem der Bundestag am Freitag stattgefunden hat, nicht zu übersehen. Die grauen Herren aus den Landes- und Regionalverbänden trauten sich kaum Kontakt aufzunehmen mit den Profivertretern. Niersbach ist einer der Funktionäre, die immer die Nähe zu den Profis gesucht haben. Er wird sie weiter pflegen. Theo Zwanziger wurde von Reinhard Rauball, dem Präsidenten der Deutschen Fußballliga, als "Anwalt des Amateursports" bezeichnet. Niersbach ist dies gewiss nicht. In Frankfurt lobte er die Bundesligaklubs, die ein bis zwei Prozent ihrer Ticketeinnahmen an die Landesverbände weitergeben würden. Er sagte das so, als müssten die Amateurklubs dankbar dafür sein, als stünde ihnen für die Arbeit an der Basis nichts von den Millionen wirklich zu, die in den oberen Ligen erwirtschaftet werden. Niersbach hat gleich bei seinem ersten Auftritt als Präsident klargemacht, dass sich die Bundesligen keine großen Sorgen machen müssen, wenn bald ernsthaft über einen neuen Grundlagenvertrag verhandelt wird, der das nebeneinander von DFB und DLF und eben auch Transferzahlungen von oben nach unten regelt. Von den Auto-, Bier- und Sportartikelmillionen, die die Nationalmannschaft (Niersbach: "der Fixstern") erwirtschaftet, könnte zudem demnächst ein großer Teil in ein zentrales Leistungszentrum investiert werden, für das Oliver Bierhoff, der Manager der Auswahl, seit längerer Zeit wirbt. Hier würde es sich um eine Investition in den Hochleistungssport handeln. Und auch wenn Niersbach in Frankfurt so tat, als sei über dieses Projekt noch nicht endgültig entschieden, so wird längst nach möglichen Standorten gesucht. Mit der Stadt Köln soll Oliver Bierhoff schon über das 30-Millionen-Projekt verhandelt haben - unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Der Express schrieb von "Geheimverhandlungen". Dabei geht es um die Nutzung von Bauten in der Nähe des Kölner Stadions. Die Sporthallen, die im Falle einer positiven Entscheidung modernisiert werden sollen, stehen bis jetzt dem Breitensport zur Verfügung. Auch die Jahn-Wiesen vor dem Stadion, auf denen bisher jedermann kicken darf, könnten dann umzäunt und zum exklusiven Trainingsgelände für alle DFB-Nachwuchsmannschaften werden. Die sollen dann möglichst viele Titel gewinnen. Über die würde sich Wolfgang Niersbach dann ganz besonders freuen. Und vielleicht darf er dann endlich mal wieder in eine Weltmeister-Mannschaftskabine. In Frankfurt hat er erzählt, dass er beim Titelgewinn der Deutschen 1990 in der Pause der Ansprache von Franz Beckenbauer beiwohnen durfte. Er sei sich danach sicher gesessen, dass es schon klappen würde mit dem Titel. Es war dies eine Anekdote aus der Welt, zu der sich Wolfgang Niersbach hingezogen fühlt. Die Vertreter des Amateurfußballs freuten sich am Freitag dennoch über ihren neuen Präsidenten.
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