Frage: Sie treffen Politiker, Topleute aus der Wirtschaft, Prominente aus Sport und Unterhaltung. Wie bleibt man da normal?
Niersbach: Da brauchen Sie sich nur Franz Beckenbauer anzuschauen. Franz ist der normalste Mensch der Welt. Er hat null Allüren. Er ist pünktlich. Er ist zuverlässig. Er ist zu jedermann freundlich, egal, ob es der Taxifahrer, der Hotelportier oder der Bundespräsident ist. Da ist nichts Aufgesetztes. Franz ist ein Phänomen.
Frage: Dabei könnte er sich angesichts seiner Erfolge ein paar Allüren leisten…Niersbach: Ihm würde man das sogar ein wenig nachsehen. Aber das gibt es nicht bei ihm. Kürzlich war ich bei unserem ehemaligen DFB-Arzt Heinrich Heß zum 80. Geburtstag eingeladen. An dem Tag rief der Franz an. Ich sagte, Franz, wenn du da mitkommen würdest, würde der Heini sich sehr freuen. Franz sagte: Ja mei, mach’ ich. Rund 200 Leute waren da. Ich ging ans Mikro, sagte, dass ich Verstärkung mitgebracht hätte. Da ging die Tür auf, der Franz kam rein, und Jubel brach aus.Frage: Das sind Ausnahmen, oder nicht?Niersbach: Ich nenne gern einen anderen Namen: Bundeskanzlerin Angela Merkel.
Freitag, 25. Mai 2012
Niersbach der Woche (4)
Diesmal ohne Kommentar. Der erübrigt sich einfach. Niemand sonst würde auf die Idee kommen zu sagen, dass Angela Merkel genauso ist wie Franz Beckenbauer. Unser Präsident im Interview mit der tz.
Es geht um mehr als Fußball
Fangewalt - warum Sicherheitpolitiker brennende Stadien brauchen
Edmund Stoiber, Ex-Ministerpräsident,
Ex-Kanzlerkandidat, Ex-EU-Kritiker, überhaupt ganz Ex und irgendwie
FC Bayern, fordert, die Fans einzuzäunen. Davor hatte Dagmar
Freitag, die stellvertretende Vorsitzende des Deutschen
Leichtathletikverbandes und Vorsitzende des Sportausschusses im
Deutschen Bundestag die Abschaffung von Stehplätzen angeregt. Und
nun kommt der oberste Staatsanwalt der Republik und fordert
Fußfesseln für Fans. Harald Ranges Satz „Notorische Hooligans,
die als Rowdys bekannt sind, könnten eine elektronische Fußfessel
bekommen“ hat es in beinahe jedes Nachrichtenmedium geschafft.
Range, Stoiber, Freitag - was verstehen die eigentlich vom Fandasein?
Das mag sich mancher fragen. Egal - darum geht es schon lange nicht
mehr. Es geht um Politik. Der Fußball könnte einmal mehr zum
Vorreiter für eine repressive Sicherheitspolitik werden. Die
deutschen Landesinnenminister wissen, dass in Deutschlands Stadien
keine bürgerkriegsähnlichen Zustände herrschen. Sie benutzen das
Thema Fußballgewalt, um ihre sicherheitspolitischen Fantasien
durchzusetzen.
Es wäre nicht das erste Mal, dass
ihnen dies gelingt. 1994 wurde begonnen Daten von auffälligen
Fußballfans zu sammeln. Die Datei Gewalttäter Sport genoss ein
hohes gesellschaftliches Ansehen, das in den Tagen nach den mörderischen
Attacken auf den französischen Polizisten Daniel Nivel während der
WM 1999 in Frankreich noch weiter stieg. Gut so, das war Mehrheitsmeinung in
Deutschland, dass endlich rigoros gegen Hooliganismus eingeschritten
wird. Dass das Datensammeln gar nicht legal war, scherte kaum
jemanden. Noch immer fehlt eine echte Rechtsgrundlage für die
Sammelei von Bürgerdaten. Ein Problem sehen die Behörden da nicht -
denn sie wähnen die Politik und beim Thema Fußballgewalt auch die
Mehrheit der Bevölkerung hinter sich. Dass viele der über 13.000
Namen, die derzeit in der Datei erfasst sind, da nicht hingehören,
auch das schert niemanden. Wenn es der Sicherheit dient, dann wird
schon kein Proteststurm aufkommen, wenn einer das Land nicht
verlassen darf, weil sein Name irgendwie in die Datei gelangt ist.
Die Politik hat es seinerzeit geschafft, im Kampf gegen Hooligans
neue Sicherheitsmaßtäbe zu etablieren.
Die sind längst in anderen Bereichen
angekommen. Als sich im Juli 2001 deutsche Aktivistinnen und
Aktivisten auf den Weg machten, um in Genua anlässlich des
G7/G8-Gipfels zu demonstrieren, wunderten sich nicht wenige von
ihnen, dass sie an der Grenze aufgehalten wurden. Für die Behörden,
die längst ihre Daten gesammelt hatten, waren sie Polit-Hooligans.
Es wurde klar, warum der Bevölkerung die Bekämpfung der so
genannten Fangewalt als derart großer Erfolg verkauft wurde. Es ging
um die Verhinderung von Protest in einem ganz anderen Bereich.
Ein ähnlicher Prozess scheint in
Moment abzulaufen. Wie hart der Staat gegen Systemkritiker vorgeht,
war gerade in Frankfurt zu beobachten, als Demonstranten und
verhinderte Blockierer behandelt wurden wie Terroristen. Dass ihm die
Möglichkeiten zur Bekämpfung politischer Gegner nicht ausreichen,
das zeigt die Äußerung von Generalbundesanwalt Range. Es geht nicht
um den Fußball allein. Es geht um die Durchsetzung staatlicher
Gewalt im Allgemeinen.
Wenn dereinst dem ersten Fußballfan
eine Fußfessel angelegt wird, werden in den Medien Archivbilder von
rauchenden Stadien zu sehen sein. Gottlob, dass das jetzt verhindert
wird, mag sich dann manch braver Bürger denken.
Wenn dereinst den ersten politischen
Aktivisten Fußfesseln angelegt werden, wird man sehen, um was es den
beim Thema Fangewalt so lauthals zeternden Innenministern wirklich
gegangen ist.
Freitag, 11. Mai 2012
Niersbach der Woche (3)
Die Wahl war diesmal schnell getroffen.
Es geht und den DFB und sein Bier. Beinahe schon heimlich still und
leise haben Verbandspräsident Wolfgang Niersbach und die Manager der
Braufabrik Bitburger einen neuen Partnerschaftsvertrag abgeschlossen.
Bitburger beibt so genannter Premium-Partner des DFB. Einen
Pressetermin gab es nicht angesichts der Vertragsunterzeichnung. Der
DFB veröffentlichte ein Pressemitteilung auf seiner Website. Das
war's. Wolfgang Niersbach wird im Zusammenhang mit dem neuen
Bier-Deal so zitiert:
Mit Bitburger verbindet den DFB eine gute und bewährte Partnerschaft, deshalb freuen wir uns über die Verlängerung des Vertrages. Ein Kernelement bleibt dabei, dass die Werbemaßnahmen, in die auch die Nationalmannschaft eingebunden ist, klar auf alkoholfreie Produkte ausgerichtet sind.
Der DFB und sein Bier da war doch
was? Verwunderlich ist es jedenfalls nicht, dass der DFB die Presse
nicht zu einem kleinen Umtrunk mit alkoholfreiem Bier anlässlich des
Vertragsabschlusses eingeladen hat. Es hätten Fragen aufkommen
können. Im Oktober war über einen Streit im DFB berichtet worden.
Der damalige Verbands-Chef Theo Zwanziger stoppte die Verhandlungen
mit Bitburger. Er sah den Verband, der sich an der Kampagne der
Bundeszentrale für gesundheitliche Aufkläurung "Alkoholfrei
Sport genießen" beteiligt in einer moralischen Zwickmühle.
Bierwerbung, so seine Meinung damals, wirke da nicht glaubwürdig.
Zwanziger wurde dafür mit Häme überschüttet. Spätestens seit dem
Oktober wurde er in der Öffentlichkeit als machtbesessener Egomane
dargestellt, der dem armen Generalsekretär Niersbach, der so fleißig
am Vertragswerkl mit der Brauerei gearbeitet hatte, ins Werk pfuscht.
Zwanziger wurde regelrecht demontiert - so lange, bis er aufgab.
Wolfgang Niersbach stieg über der Brauerei-Affäre zum
folgerichtigen Kandidaten an der DFB-Spitze auf. Bier und Fußball
gehören zusammen heißt es immer wieder. Das Bier Fußballpräsidenten
machen kann, haben wir in den letzten Monaten erlebt.
Hätte es einen Pressetermin zum
Bitburger-Deal gegeben, eine weitere Frage wäre sicher unangenehm
geworden für den DFB-Präsidenten. Warum in aller Welt tut er nichts
dagegen, dass im offiziellen EM-Spot der Brauerei eine bunte Pyroshow
zu sehen ist? Beim DFB, wo der Einsatz von Pyrotechnik gerne als
Gewalt und bengalische Fackeln als gefährliche Waffen gelten, müsste
man das, was in dem Spot zu sehen ist, eigentlich als Gewaltexzess
bezeichnen. Oder ist das etwa der Aufgalopp zu einer neuen Runde im
Dialog mit den Fans, die nichts anderes wollen, als das, was in dem
Spot zu sehen ist: Stimmung machen? Das darf getrost verneint werden.
Der DFB bleibt in dieser Frage konsequent verlogen.
Oder hat man den DFB-Oberen, als man
ihnen den Spot präsentiert hat, größere Mengen alkoholhaltigen
Bieres verabreicht, und sie haben einfach nicht gecheckt, was sie da sahen? Was dazu wohl die Bundeszentrale für
gesundheitliche Aufkläurung sagen würde.
Montag, 7. Mai 2012
Und - was hättest du gemacht?
Immer wieder werde ich in den letzten Tagen gefragt, wie ich mit dem Thema EM und Menschenrechte umgegangen wäre, hätte man tatsächlich mich zum DFB-Chef bestimmt. Mal angenommen, mir wäre es nicht so gegangen , wie vielen Gewählten vor mir, und ich hätte mich nicht gleich mit der Wahl von einem denkenden Menschen zu einem funktionierenden Amtsträger gewandelt, ich hätte mich in erster Linie gegen die Einflussnahme der Bundesregierung auf den DFB verwahrt. Die Trennung von Staat und Fußball sollte ohnehin im Grundgesetz verankert werden. Das heißt in diesem Fall natürlich nicht, dass ich mich nicht mit der Situation in der Ukraine beschäftigt hätte. Ich hätte die Stiftung Wissenschaft und Poliotik zu Rate gezogen, deren Mitarbeiterin Susan Steward dem Deutschen Bundestag im Sportausschuss ein spektakuläres Thesenpapier vorgelegt hat, das mit dem Satz beginnt:
Darüber hinaus würde ich darüber nachdenken, welche Möglichkeiten der DFB hat, Nichtregierungsorganisationen, die sich mit der Lage in der Ukraine beschäftigen, auch finanziell zu unterstützen. Vielleicht ließe sich ja eine Monitoring-Stelle einrichten, die für die fußballinteressierte Bevölkerung die politische Situation in der Ukraine beobachtet und deren Ergebnisse im Pressezentrum des DFB in Danzig regelmäßig vorgestellt werden. Eine Ukraine-Sektion von Amnesty in Deutschland befindet sich erst im Aufbau. Auch dabei könnte der DFB helfen. Einen sportlichen Boykott würde ich ablehnen - das ist meine persönliche Meinung. Fußball kann nur dann wirklich politisch sein, wenn wirklich gespielt wird. Vielleicht sollte man aber den DFB-Bundestag darüber diskutieren (wäre mal was Neues) und abstimmen (wäre auch was Neues) lassen.
Ich bin mir jedenfalls sicher, dass ich nicht den Wauwau von Innenminister Friedrich spielen will. Sage ich jetzt einfach - aber das wird man ja wohl noch sagen dürfen.
Ach ja: Wie viele Tage sind es denn eigentlich noch bis zur nächsten Wahl des DFB-Präsidenten?
Vorrangiges Ziel der Uefa-EM für die Veranstalter ist die persönliche Breicherung der unmittelbar an den Vorbereitungen Beteiligten und ihrer Unterstützer.
Darüber hinaus würde ich darüber nachdenken, welche Möglichkeiten der DFB hat, Nichtregierungsorganisationen, die sich mit der Lage in der Ukraine beschäftigen, auch finanziell zu unterstützen. Vielleicht ließe sich ja eine Monitoring-Stelle einrichten, die für die fußballinteressierte Bevölkerung die politische Situation in der Ukraine beobachtet und deren Ergebnisse im Pressezentrum des DFB in Danzig regelmäßig vorgestellt werden. Eine Ukraine-Sektion von Amnesty in Deutschland befindet sich erst im Aufbau. Auch dabei könnte der DFB helfen. Einen sportlichen Boykott würde ich ablehnen - das ist meine persönliche Meinung. Fußball kann nur dann wirklich politisch sein, wenn wirklich gespielt wird. Vielleicht sollte man aber den DFB-Bundestag darüber diskutieren (wäre mal was Neues) und abstimmen (wäre auch was Neues) lassen.
Ich bin mir jedenfalls sicher, dass ich nicht den Wauwau von Innenminister Friedrich spielen will. Sage ich jetzt einfach - aber das wird man ja wohl noch sagen dürfen.
Ach ja: Wie viele Tage sind es denn eigentlich noch bis zur nächsten Wahl des DFB-Präsidenten?
Freitag, 4. Mai 2012
Niersbach der Woche (2)
Ukraine, Timoschenko und intelligente
Kerle, die von Oliver Bierhoff über die Lage im größeren der
beiden EM-Länder informiert werden. Wo ist er da nur
hineingeschlittert, unser Fußballpräsident? Ärgert er sich schon,
dass er sich von der Bundesregierung hat einspannen lassen in die
Kampagne für eine medizinische Behandlung der weggesperrten,
ehemaligen ukrainischen Ministerpräsidentin Julia Timonschenko in
Deutschland? Was sagt er wirklich zu seinem Ami Michel Platini, wenn
die beiden über die Ukraine reden? Wurmt es ihn, dass er in den
Tagen da Köln absteigen und Düsseldorf aufsteigen könnte, da die
beiden rheinischen Klubs sogar in der Relegation aufeinandertreffen
könnten, nicht einfach Fortune sein darf, auch wenn das vielleicht
nicht ganz präsidial (wenn der Bessere gewinnt, bin ich glücklich)
ist? Warum hört zur Zeit keiner hin wenn er anlässlich der
Vertragsverlängerung mit dem langjährigen
DFB-Schiedsrichtersponsors Sätze sagt wie:
Unsere Sponsoren leisten viel für die Entwicklung des Fußballs. Mit DEKRA verbindet uns besonders der Gedanke des Fairplay. Dafür sind wir auf gut ausgebildete Schiedsrichterinnen und Schiedsrichter angewiesen. DEKRA hilft, dass die deutschen Unparteiischen die an sie gestellten Anforderungen in vorbildlicher Weise erfüllen können. Unsere bald neunjährige gute Zusammenarbeit war stets von gegenseitigem Vertrauen geprägt. Dies wird auch in Zukunft so sein. Besonders freue ich mich, dass DEKRA den DFB künftig auch bei dessen verstärktem Engagement zum Thema Nachhaltigkeit unterstützt.
Es gibt nicht einmal halbwitzige
Nachfragen (Schiedsrichtersponsor, ich dachte das ist Ante Sapina).
Nichts. Der DFB macht gute Geschäfte und keinen interessiert es.
Auch mit einem der vier Präsmiunpartner des DFN wurde die
"Zusammenarbeit" verlängert:
Bei einer erfolgreichen Partnerschaft sind Kontinuität und Nachhaltigkeit entscheidend. Wir freuen uns, dass wir mit der Commerzbank auch weiterhin zusammenarbeiten
Ja, die Nachhaltigkeit, die ist schon
eine gute Sache. Für die gibt es im DFB auch einen eigenen
Vize-Präsidenten. Der heißt Karl Rothmund und kommt aus Langreder.
In sein Ressort fallen auch die Themen Antirassismus und Bekämpfung
von Schwulenfeindlichkeit. Darum hat sich zu Zeiten eines Theo
Zwanziger noch der Chef in Hause persönlich gekümmert. Aber das nur
nebenbei. Denn das eigentlich Interessante an den
Wirtschftschaftsmeldungen aus dem DFB in dieser Woche erfahren die
Interessierten nicht. Wieviel zahlen DEKRA und die vor gar nicht
allzu langer Zeit mit Steuermitteln gerettete Commerzbank eigentlich
für ihre Partnerschaft mit dem DFB?
Bevor Wolfgang Niersbach solche Fragen
beantwortet, sagt er vielleicht doch lieber irgendetwas über
Menschenrechte, Timoschenko und dass der DFB immer an der Seite der
Bundesregierung steht. Es geht hier schließlich um vertrauensvolle
Zusammenarbeit - und die ist im Zweifel doch wichtiger als
irgendwelche Menschenrechte in irgendeinem Land, das sowieso keiner
kennen würde, wenn da nicht diese EM stattfände.
Dienstag, 1. Mai 2012
Angepasst politsch - der neue DFB
Folgender Text geht über das, was im Niersbach der Woche steht noch ein wenig hinaus. Vielleicht interessiert es:
Zuvor hatte sich die Regierung die Unterstützung der Fußballfunktionäre für ihr Projekt längst gesichert. Wolfgang Niersbach sagt dazu: „Der Fußball muss sich an die Seite der Politik stellen, wenn es um Grundwerte im menschlichen Miteinander geht.“ Seit mehreren Wochen steht der DFB in engem Kontakt mit dem Auswärtigen Amt und dem Menschenrechtsbeauftragten der Bundesregierung, Markus Löning.
Zuvor hatte sich die Regierung die Unterstützung der Fußballfunktionäre für ihr Projekt längst gesichert. Wolfgang Niersbach sagt dazu: „Der Fußball muss sich an die Seite der Politik stellen, wenn es um Grundwerte im menschlichen Miteinander geht.“ Seit mehreren Wochen steht der DFB in engem Kontakt mit dem Auswärtigen Amt und dem Menschenrechtsbeauftragten der Bundesregierung, Markus Löning.
Es
ist ein eingespieltes Ritual. Immer wenn die Spieler der deutschen
Fußballnationalmannschaft auf eine Partie eingestimmt werden, dann
bekommen sie nicht nur eine Unterrichtsstunde in Taktik, sondern auch
landeskundliche Infos. Philipp Lahm und Kollegen lernen dann, dass
Spanier stolz, aber fair, oder Argentinier heißblütig und fies sein
können. Vor der Europameisterschaft, die im Juni beginnt, bekommen sie
nun Unterricht in Sachen Ukraine, wo sie alle drei Vorrundenspiele
bestreiten werden.
„Das gehört zu einer professionellen
Vorbereitung dazu“, sagt DFB-Präsident Wolfgang Niersbach. Die Spieler
sollen wissen, wo der Deutsche Fußball-Bund in der Frage der
Menschenrechte im EM-Gastgeberland Ukraine steht. Die Haltung des
Verbandes hat Niersbach deutlich zum Ausdruck gebracht: „Der DFB steht
ein für die Einhaltung der Menschenrechte, die Unabhängigkeit der Justiz
und die Meinungs- und Pressefreiheit.“
Über diese Haltung haben sich nicht wenige
gewundert. Wie kann es sein, dass die deutsche Fußballprominenz
plötzlich zu Menschenrechtsaktivisten wird? Hans-Joachim Watzke,
Geschäftsführer des deutschen Fußballmeisters Borussia Dortmund, hat mit
seiner Ankündigung, EM-Spiele in der Ukraine zu boykottieren, eine
wahre Lawine losgetreten. Man könne die zahlreichen Interviewanfragen
nicht mehr bearbeiten. Derweil fordert Uli Hoeneß, Boss des FC Bayern,
Michel Platini, den Präsidenten der Europäischen Fußball-Union Uefa, im Spiegel dazu auf, die Ukraine deutlich zu kritisieren. Auch die Spieler sollten ruhig das Wort ergreifen.
Undenkbar wäre so etwas vor vier Jahren
gewesen, als der Deutsche Olympische Sportbund vor den Olympischen
Spielen in Peking seinen Athleten regelrecht verboten hatte, sich
während der Spiele kritisch zum KP-Regime in Peking und der Tibetfrage
zu äußern. Deutsche Politiker, von Rot über Grün bis zu Gelb und
Schwarz, hatten keine Probleme, in den Stadien und Hallen in Peking gute
Miene zu den Spielen zu machen.
Doch die Lage in diesen Tagen ist eine gänzlich andere. Die
Bundesregierung will die Ukraine unter Druck setzen und erwirken, dass
die inhaftierte ehemalige Ministerpräsidentin Julia Timoschenko, die
sich im Hungerstreik befindet, zur notwendigen ärztlichen Betreuung in
die Bundesrepublik überstellt wird. Wie der Spiegel berichtet,
wolle Bundeskanzlerin Angela Merkel den Spielen der deutschen
Nationalmannschaft in der Ukraine wohl fernbleiben, falls Timoschenko
bis zur EM nicht freigelassen werde. Das Kanzleramt bestätigte dies am
Sonntag indirekt.
Merkels Sprecher Steffen Seibert hatte
einen möglichen Boykott der Regierungsmannschaft bereits am Freitag
angedeutet. Eine Ausnahme könnte für Innen- und Sportminister Hans-Peter
Friedrich (CSU) gelten. „Der Minister ist eben Sportminister und großer
Fan der deutschen Nationalmannschaft“, erläuterte sein Sprecher am
Freitag.
Thomas Bach, dem Präsidenten des
Deutschen Olympischen Sportbundes, scheint das Engagement des DFB nicht
ganz geheuer zu sein. Zwar würdigt er die Rolle der Fußballer im Fall
Timoschenko, er sagt aber auch: „Der Sport darf nicht zum Knüppel der
Politik werden.“ Für ihn muss der Sport neutral sein, wenn er „in
politischen und Menschenrechtsfragen nachhaltig positiv wirken will“.
So sehen es auch die Veranstalter von der Uefa. Aus der
DFB-Zentrale in Frankfurt heißt es, der Verband bemühe sich, Michel
Platini zu einer kritischen Haltung der Ukraine gegenüber zu bewegen.
Vergeblich. Auf Anfrage der taz schickte die Uefa ihre wohlbekannte
Stellungnahme zum Thema: „Die Nichteinmischung in politische
Angelegenheiten einerseits und der Schutz der Nationalverbände vor
jeglicher politischer Einmischung andererseits ist eine zwingende
Voraussetzung, um einen reibungslosen Ablauf von Wettbewerben zu
gewährleisten und dafür zu sorgen, dass der Fußball jedermann zugänglich
ist und überall gespielt werden kann.“
Basta! Kein Wort zur Situation in der
Ukraine, die jetzt sogar Russlands Nochpräsident Dmitri Medwedjew
kritisiert, indem er den Umgang mit Oppositionsführerin Timoschenko als
„völlig inakzeptabel“ bezeichnet hat.
Menschenfreunde unter sich. Dass der
Verband über sein Ukraine-Engagement nicht zu einer
Menschenrechtsorganisation geworden ist, wurde indes am Freitag
deutlich. Der DFB verkündete, sich nicht für die Austragung der
Fußball-EM 2020 zu bewerben. Die Türkei bleibt damit einziger Bewerber.
Die Gelegenheit, das Land für seine massiven Menschenrechtsverletzungen
zu kritisieren, ließ der DFB ungenutzt.
Und die Vergabe der WM 2022 nach Katar wird
vom DFB zwar kritisiert, dabei geht es aber allein um die klimatischen
Bedingungen und keineswegs um die Grundrechte, um die es im Emirat nicht
gerade gut bestellt ist. Wenn sich der Sport nicht von der Politik
instrumentalisieren lässt, verhält er sich so unpolitisch wie eh.
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