DFB Schon bei seinem ersten Aufritt als Präsident macht Wolfgang
Niersbach klar, wo seine Schwerpunkte liegen. Der Amateurfußball wird
sich wohl hinten anstellen müssen
Eigentlich war die Antwort eine Unverschämtheit. Welche Themen er denn
in den Mittelpunkt seiner Arbeit stellen wolle, wurde Wolfgang Niersbach
gefragt, nachdem er zum neuen Präsidenten des deutschen Fußball-Bundes
gewählt worden war. "Den Fußball", sagte er und der Fragesteller war
beinahe so schlau als wie zuvor. Und doch hatte Niersbach mit dieser
Nichtantwort noch einmal klargemacht, dass er das Amt anders
interpretieren wird als sein Vorgänger Theo Zwanziger. Der legte in
Frankfurt noch einmal einen seiner typischen Auftritte hin. In aller
Ruhe bilanzierte er seine Arbeit und bedankte sich bei seinen
Mitarbeitern. Nur einmal erhob er die Stimme. Laut und eindrücklich
mahnte er die versammelte Fußballprominenz zum Kampf gegen Rassismus,
Antisemitismus und Homophobie und zeigte einmal mehr, dass er zu den
wenigen Autoritäten in Deutschland gehört, die diese Themen auch dann
ansprechen, wenn nicht gerade irgendwo ein rassistischer,
antisemitischer oder schwulenfeindlicher Exzess in den Medien diskutiert
wird. Viel mehr als einen freundlichen Applaus hat er von den
Delegierten dafür nicht bekommen.
Viele von ihnen dürften froh sein, dass sie nun endlich einen an der
Spitze stehen haben, für den Fußball nicht viel mehr ist als Sport und
Geschäft. Natürlich weiß Niersbach, was sich gehört für einen
Präsidenten des DFB. Die antisemitischen Pöbeleien von Fans des 1. FC
Kaiserslautern gegen den israelischen Stürmer Itay Shechter hat er Mitte
der vergangenen Woche schnell und deutlich verurteilt. Niersbach hat
richtig reagiert - ob er bei den gesellschaftlich so wichtigen Themen
auch agieren will, das bleibt abzuwarten. In Frankfurt vor dem Plenum
war er jedenfalls nicht in der Lage, beim Namen zu nennen, was in
Kaiserslautern passiert war, und sprach diffus von Vorfällen.
Was er beschwor, war nicht die gesellschaftliche Verantwortung des
Fußballs. Er predigte die "Einheit des Fußballs" und kündigte an, dass
er alles dafür tun wolle, damit sich der Profifußball nicht irgendwann
doch noch loslöst vom guten, alten Vereinsfußball. Dass die Welt der
Reichen und auch am Ende des Winters meist gut gebräunten Manager und
Vorstände der Profiklubs nicht viel zu tun hat mit den ehrenamtlichen
Machern des Amateurfußballs, das war in den Hallen des Hotels, in dem
der Bundestag am Freitag stattgefunden hat, nicht zu übersehen. Die
grauen Herren aus den Landes- und Regionalverbänden trauten sich kaum
Kontakt aufzunehmen mit den Profivertretern. Niersbach ist einer der
Funktionäre, die immer die Nähe zu den Profis gesucht haben. Er wird sie
weiter pflegen.
Theo Zwanziger wurde von Reinhard Rauball, dem Präsidenten der Deutschen
Fußballliga, als "Anwalt des Amateursports" bezeichnet. Niersbach ist
dies gewiss nicht. In Frankfurt lobte er die Bundesligaklubs, die ein
bis zwei Prozent ihrer Ticketeinnahmen an die Landesverbände weitergeben
würden. Er sagte das so, als müssten die Amateurklubs dankbar dafür
sein, als stünde ihnen für die Arbeit an der Basis nichts von den
Millionen wirklich zu, die in den oberen Ligen erwirtschaftet werden.
Niersbach hat gleich bei seinem ersten Auftritt als Präsident
klargemacht, dass sich die Bundesligen keine großen Sorgen machen
müssen, wenn bald ernsthaft über einen neuen Grundlagenvertrag
verhandelt wird, der das nebeneinander von DFB und DLF und eben auch
Transferzahlungen von oben nach unten regelt.
Von den Auto-, Bier- und Sportartikelmillionen, die die
Nationalmannschaft (Niersbach: "der Fixstern") erwirtschaftet, könnte
zudem demnächst ein großer Teil in ein zentrales Leistungszentrum
investiert werden, für das Oliver Bierhoff, der Manager der Auswahl,
seit längerer Zeit wirbt. Hier würde es sich um eine Investition in den
Hochleistungssport handeln. Und auch wenn Niersbach in Frankfurt so tat,
als sei über dieses Projekt noch nicht endgültig entschieden, so wird
längst nach möglichen Standorten gesucht.
Mit der Stadt Köln soll Oliver Bierhoff schon über das
30-Millionen-Projekt verhandelt haben - unter Ausschluss der
Öffentlichkeit. Der Express schrieb von "Geheimverhandlungen". Dabei
geht es um die Nutzung von Bauten in der Nähe des Kölner Stadions. Die
Sporthallen, die im Falle einer positiven Entscheidung modernisiert
werden sollen, stehen bis jetzt dem Breitensport zur Verfügung. Auch die
Jahn-Wiesen vor dem Stadion, auf denen bisher jedermann kicken darf,
könnten dann umzäunt und zum exklusiven Trainingsgelände für alle
DFB-Nachwuchsmannschaften werden. Die sollen dann möglichst viele Titel
gewinnen.
Über die würde sich Wolfgang Niersbach dann ganz besonders freuen. Und
vielleicht darf er dann endlich mal wieder in eine
Weltmeister-Mannschaftskabine. In Frankfurt hat er erzählt, dass er beim
Titelgewinn der Deutschen 1990 in der Pause der Ansprache von Franz
Beckenbauer beiwohnen durfte. Er sei sich danach sicher gesessen, dass
es schon klappen würde mit dem Titel. Es war dies eine Anekdote aus der
Welt, zu der sich Wolfgang Niersbach hingezogen fühlt. Die Vertreter des
Amateurfußballs freuten sich am Freitag dennoch über ihren neuen
Präsidenten.
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