Fangewalt - warum Sicherheitpolitiker brennende Stadien brauchen
Edmund Stoiber, Ex-Ministerpräsident,
Ex-Kanzlerkandidat, Ex-EU-Kritiker, überhaupt ganz Ex und irgendwie
FC Bayern, fordert, die Fans einzuzäunen. Davor hatte Dagmar
Freitag, die stellvertretende Vorsitzende des Deutschen
Leichtathletikverbandes und Vorsitzende des Sportausschusses im
Deutschen Bundestag die Abschaffung von Stehplätzen angeregt. Und
nun kommt der oberste Staatsanwalt der Republik und fordert
Fußfesseln für Fans. Harald Ranges Satz „Notorische Hooligans,
die als Rowdys bekannt sind, könnten eine elektronische Fußfessel
bekommen“ hat es in beinahe jedes Nachrichtenmedium geschafft.
Range, Stoiber, Freitag - was verstehen die eigentlich vom Fandasein?
Das mag sich mancher fragen. Egal - darum geht es schon lange nicht
mehr. Es geht um Politik. Der Fußball könnte einmal mehr zum
Vorreiter für eine repressive Sicherheitspolitik werden. Die
deutschen Landesinnenminister wissen, dass in Deutschlands Stadien
keine bürgerkriegsähnlichen Zustände herrschen. Sie benutzen das
Thema Fußballgewalt, um ihre sicherheitspolitischen Fantasien
durchzusetzen.
Es wäre nicht das erste Mal, dass
ihnen dies gelingt. 1994 wurde begonnen Daten von auffälligen
Fußballfans zu sammeln. Die Datei Gewalttäter Sport genoss ein
hohes gesellschaftliches Ansehen, das in den Tagen nach den mörderischen
Attacken auf den französischen Polizisten Daniel Nivel während der
WM 1999 in Frankreich noch weiter stieg. Gut so, das war Mehrheitsmeinung in
Deutschland, dass endlich rigoros gegen Hooliganismus eingeschritten
wird. Dass das Datensammeln gar nicht legal war, scherte kaum
jemanden. Noch immer fehlt eine echte Rechtsgrundlage für die
Sammelei von Bürgerdaten. Ein Problem sehen die Behörden da nicht -
denn sie wähnen die Politik und beim Thema Fußballgewalt auch die
Mehrheit der Bevölkerung hinter sich. Dass viele der über 13.000
Namen, die derzeit in der Datei erfasst sind, da nicht hingehören,
auch das schert niemanden. Wenn es der Sicherheit dient, dann wird
schon kein Proteststurm aufkommen, wenn einer das Land nicht
verlassen darf, weil sein Name irgendwie in die Datei gelangt ist.
Die Politik hat es seinerzeit geschafft, im Kampf gegen Hooligans
neue Sicherheitsmaßtäbe zu etablieren.
Die sind längst in anderen Bereichen
angekommen. Als sich im Juli 2001 deutsche Aktivistinnen und
Aktivisten auf den Weg machten, um in Genua anlässlich des
G7/G8-Gipfels zu demonstrieren, wunderten sich nicht wenige von
ihnen, dass sie an der Grenze aufgehalten wurden. Für die Behörden,
die längst ihre Daten gesammelt hatten, waren sie Polit-Hooligans.
Es wurde klar, warum der Bevölkerung die Bekämpfung der so
genannten Fangewalt als derart großer Erfolg verkauft wurde. Es ging
um die Verhinderung von Protest in einem ganz anderen Bereich.
Ein ähnlicher Prozess scheint in
Moment abzulaufen. Wie hart der Staat gegen Systemkritiker vorgeht,
war gerade in Frankfurt zu beobachten, als Demonstranten und
verhinderte Blockierer behandelt wurden wie Terroristen. Dass ihm die
Möglichkeiten zur Bekämpfung politischer Gegner nicht ausreichen,
das zeigt die Äußerung von Generalbundesanwalt Range. Es geht nicht
um den Fußball allein. Es geht um die Durchsetzung staatlicher
Gewalt im Allgemeinen.
Wenn dereinst dem ersten Fußballfan
eine Fußfessel angelegt wird, werden in den Medien Archivbilder von
rauchenden Stadien zu sehen sein. Gottlob, dass das jetzt verhindert
wird, mag sich dann manch braver Bürger denken.
Wenn dereinst den ersten politischen
Aktivisten Fußfesseln angelegt werden, wird man sehen, um was es den
beim Thema Fangewalt so lauthals zeternden Innenministern wirklich
gegangen ist.
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