Freitag, 21. September 2012

Niersbach der Woche (5)

Der Niersbach dieser Woche geht diesmal nicht an den Präsidenten selbst. Christoph Fischer von der Westdeutschen Zeitung hat ihn sich mit seinem Artikel über Niersbachs Besuch bei dessen ersten Fußballverein, dem Düsseldorfer C 99, redlich verdient. Herzlichen Glückwunsch vor allem für den Satz:
Dieser Mann ist ein Geschenk für den größten Sportverband der Welt.
Warum er das ist, das deutet Fischer leider nur an:

Der Düsseldorfer zeigte sich auch beim DSC als großer Kommunikator und wurde in seiner Heimatstadt minutenlang beklatscht.
Und ein weiteres Dankeschön auch an Herrn Fischer, weil er einmal mehr zu Papier gebracht hat, welch unabhängiger Journalist der junge Herr Niersbach war, als er noch für den Sport-Informations-Dienst gearbeitet hat:
Als Sportjournalist hat er für den Sport-Informations-Dienst geschrieben, war jahrelang verantwortlich für die Vereinsmagazine der Fortuna und der DEG...
Da sei Christoph Fischer der Fehler, der ihm in seinem Text unterlaufen ist, glatt verziehen. Bei Niersbachs Besuch, schreibt er, seien auch auch die Eishockey-Olympoiasieger von 1976, Otto Schneitberger und Walter Köberle, zugegen gewesen. Nun ja, Olympiasieger wurde seinerzet die Sowjetunion. Die beiden Deutschen gehörten zu dem Team, das sensationell Bronze holte. Um genau zu sein gehörte nur Köberle zu diesem Team. Schneitberger hat 1975 zum letzten Mal  für die Nationalmannschaft gespielt. Aber um die Schlittschuhsportler sollte es in dem Huldigungsartikel ja auch gar nicht gehen, sondern eben um den großen Vorsitzenden. Nordkorea lässt grüßen. Hier der ganze Wahnsinn: Niersbach ist ein DSC-Jong

Riskante Schau

Der DFB lässt ein Fußballmuseum errichten. Das Land Nordrhein-Westfalen und die Kommune Dortmund rollen dem Fußballverband dafür den Roten Teppich aus und müssen tief in die Tasche greifen – dabei kann die Stadt sich das eigentlich gar nicht leisten. Das habe ich in der taz dazu geschrieben:

Einen großen Meister hat sich das Museum schon gesichert. Es kommt als Leihgabe aus den Niederlanden. Das weiße Stück Stoff, auf dem die Ziffern 1 und 3 aufgeflockt sind, hatte der niederländische Nationalspieler Wim Rijsbergen nach dem Endspiel der Fußballweltmeisterschaft 1974 im Tausch gegen ein Stück orange Stoff mit den Ziffern 1 und 7 in seinen Besitz gebracht. Das Meisterstück ist das Trikot, das der Siegtorschütze dieses Finales trug. In zwei Jahren, wenn das DFB-Museum, an dem seit dem symbolischen Spatenstich am Donnerstag gebaut wird, eröffnet ist, wird das Leibchen von Gerd Müller eine der Hauptattraktionen sein.

250.000 Menschen sollen jährlich das Museum besuchen und sich Fußballdinge wie einen Lederball, der beim WM-Turnier 1954 benutzt wurde, anschauen können. In Dortmund hofft man, dass die Fußballnostalgiemaschine, die gegenüber dem Hauptbahnhof entsteht, brummen wird. Sollte das nicht der Fall sein, könnte es ganz teuer werden für die Stadt, die seit Jahren an der Pleite entlangschrammt und für die Verwaltungsinstrumente wie Haushaltssperren längst zum Alltag geworden sind.

Denn die Stadt hat sich auf einen gefährlichen Deal eingelassen. Gemeinsam mit dem DFB wurde eine Stiftung ins Leben gerufen, die das Museum später betrieben wird. Sollte es nicht laufen, ist das Risiko für den Fußballverband auf 250.000 Euro limitiert, die Stadt dagegen haftet unbegrenzt. In dieser Woche hat der Bund der Steuerzahler in seinem Schwarzbuch das Projekt Fußballmuseum und den Vertrag mit dem DFB explizit kritisiert. Einer nichtöffentlichen Vorlage dazu hat der Rat der Stadt 2009 zugestimmt. Es sollte wohl niemand mitbekommen, welch hohes Risiko die Kommune da auf sich nimmt. Doch geheim ist schon lange nicht mehr, was da verabschiedet wurde. Jetzt hat das große Bangen in Dortmund begonnen.

Als das Projekt vor drei Jahren beschlossen wurde, da stimmten auch die Grünen im Rat dafür. Heute sind sie skeptischer, wie Ingrid Reuter, die Fraktionsvorsitzende im neu gewählten Rat, zugibt. Vor kurzem waren schon einmal große Hoffnungen mit einem Kultur- und Eventprojekt in der Stadt verbunden. Das „Dortmunder U“, ein ehemaliges Brauereigebäude, das mit seinem riesigen U auf den Dach zu den Wahrzeichen Dortmunds gehört, wurde mit Steuermitteln saniert und zum „Zentrum für Kunst und Kreativität“ ausgebaut. Das Projekt erwies sich schnell als Fass ohne Boden. 83 Millionen Euro kostete der Umbau zum Kulturzentrum, 30 Millionen mehr als geplant. Die Betriebskosten von jährlich 10 Millionen Euro belasten den Haushalt der Stadt dauerhaft. Dabei gab es so schöne Prognosen.

Solche gibt es auch für das Fußballmuseum. Zwei Wochen vor dem Spatenstich mit NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft und DFB-Präsident Wolfgang Niersbach wurde eine Studie vorgestellt, die das Museum als Wirtschaftsmotor und Jobmaschine für die Stadt sieht. Da ist von 250.000 Besuchern jährlich die Rede, die am Besuchstag im Schnitt über 35 Euro in der Stadt ausgeben werden, was zu jährlichen Steuermehreinnahmen von 1,5 Millionen Euro im Jahr führen würde. 280 Vollzeitarbeitsstellen würde das Museum generieren. Dortmunds Oberbürgermeister Ullrich Sierau (SPD) verweist gerne auf die tollen Zahlen der Studie, die man getrost als Gefälligkeitsgutachten bezeichnen kann. In Auftrag gegeben hat sie der Dortmund-Tourismus e. V., die „offizielle Tourismusmarketingorganisation der Stadt“, wie sich der Verein selbst bezeichnet. Die Zahlen, die er liefert, lesen sich wie ein naiver Rechtfertigungsversuch für das steuermitfinanzierte Ausstellungsprojekt.

Die Kommune Dortmund und das Land Nordrhein-Westfalen haben dem DFB viel Geld zugesagt und sich damit den Zuschlag für das Fußballmuseum regelrecht erkauft. Das Land sicherte einen Baukostenzuschuss von 18,5 Millionen Euro zu. Der DFB dankte es mit der Zusage, dass das Museum in NRW gebaut würde. Drei Städte bewarben sich. Köln schied aus, weil man nicht bereit war, für das Museum ein Grundstück herzuschenken bzw. in kostenloser Erbpacht für 99 Jahre zu überlassen. Das versprachen dagegen Dortmund und Gelsenkirchen. Der DFB-Bundestag stimmte dann für Dortmund als Standort.
Dort hat man schon eine halbe Million Euro für die Verlegung des zentralen Omnibusbahnhofs ausgegeben, der bis dato am Museumsstandort lag – mit der Hälfte hatte man kalkuliert. Die Baufreimachung des Grundstücks hat 5 Millionen Euro gekostet, ein Betrag, der bereitgestellt wurde in der Hoffnung, das Land werde davon 80 Prozent übernehmen. Der Förderungsbescheid indes steht noch aus. Was geschieht, wenn die Baukosten – ähnlich wie beim „Dortmunder U“ aus dem Ruder laufen, weiß keiner so recht. Der DFB will nicht mehr zahlen als die vereinbarten 17,5 Millionen, und auch das Land will seine Förderung nicht erhöhen. Das Risiko bliebe bei der Stadt Dortmund. Auch das ist ein Punkt, den der Bund der Steuerzahler heftig kritisiert.

Der DFB hat, so scheint es, die Stadt fest im Griff. Wie im Großen die Fifa, die große Turniere nur dann vergibt, wenn die Gastgeberländer alleine das Risiko tragen, hat der DFB im Kleinen agiert. Das Risiko wird dem Gemeinwesen übergeholfen. Kein Wunder, dass DFB-Boss Wolfgang Niersbach öffentlich verkündet, dass der Deal für keine Seite riskant sei. Beim symbolischen Spatenstich meinte er, die kalkulierten 250.000 Besucher seien ohnehin sehr konservativ gerechnet. Er versprach, kein Geld, das der DFB über seine gemeinnützigen Vereine einnimmt, in das Projekt zu investieren.

Gemeinnützige Gelder in ein Projekt zu investieren, das vom kulturellen und museumspädagogischen Standard her sowieso kein Museum ist, wäre in der Tat fragwürdig. Genau das nämlich hat die zuständige Bezirksregierung in Arnsberg festgestellt, schließlich handle es sich in keiner Weise um „wissenschaftliche Sammlungen oder Kunstsammlungen“. Auch diese Entscheidung, so richtig sie angesichts von geplanten Exponaten wie Bällen, Trikots oder den Badelatschen von Wolfgang Overath erscheinen mag, riecht nach Gefälligkeitspolitik. Ein Museum im klassischen Sinne ist, was die Umsatzsteuer betrifft, wie ein Endverbraucher zu betrachten. Die Umsatzsteuer muss gezahlt werden, sie kann nicht umgelegt werden. 19 Prozent der Baukosten würden an den Fiskus fließen. Das wollte in der Stiftung Fußballmuseum niemand. Und so entsteht jetzt in Dortmund ein Museum, das eigentlich gar keines ist.

Montag, 17. September 2012

Spiel mein Spiel

Es war ein grauenhaftes Fußballwochenende. Das ZDF hat es auf den Punkt gebracht. Die Bilderstrecke zum 3. Spieltag hat das öffentlich-rechtliche Portal mit den Worten „Kick zwischen Kanzlerin und Kissinger“ überschrieben. Treffender geht’s nicht. 

Der Frankfurter Fußballrausch ist längst aus meinem Kopf verschwunden, die Hoffenheimer Wiese-Blamage ebenfalls, der Bayern-Sieg sowieso. Dass in Dortmund und Fürth Fußball gespielt wurde, das habe ich noch im Kopf, aber wie die Spiele verlaufen sind, auch das ist irgendwie verschwunden über all der Hofberichterstattung über Angela Merkel und Henry Kissinger. Ich weiß, dass sie beinahe für Dortmund geklatscht hätte, dass DFB-Boss Wolfgang Niersbach es schon wieder geschafft hat, ganz in der Nähe seiner Kanzlerin ein Fußballspiel anzusehen und wie rot Merkels Blazer war, habe ich auch noch vor Augen.

Kaum ein Bericht über das Spiel war zu sehen oder zu lesen, der nicht mit Angela Merkels Besuch in Dortmund begonnen hätte. Jede Regung von ihr wurde kommentiert. So ist zuletzt über die Queen berichtet worden, als sie in London die Olympischen Spiele eröffnet hat. Gibt es da keinen Unterschied? Die Kanzlerin wird behandelt wie ein Staatsoberhaupt. Das ist sie aber nicht. Sie ist die Regierungschefin. Eine Politikerin im Tagesgeschäft, die in einem Jahr zur Wiederwahl ansteht. Damit sie nicht ausziehen muss aus dem Kanzleramt, wanzt sie sich an den Fußball heran. Vor dem Start der EM hat sie dem deutschen Nationalteam in deren Quartier in Danzig Glück für das Turnier gewünscht. Und alle, allen voran Sami Khedira, Bastian Schweinsteiger und Joachim Löw haben sich öffentlich darüber gefreut. Keiner hat sich die Frage gestellt, wem so ein Besuch wirklich etwas nützt, der Nationalmannschaft oder ihr.

Immer wieder habe ich mich über Agenturmeldungen gewundert in denen nach dem Namen der Bundeskanzler in Klammern auch immer ihre Parteizugehörigkeit angegeben wurde. Das weiß doch eh jeder, habe ich mir gedacht. Warum war am Samstag in fast keinem Bericht das eingeklammerte CDU zu finden? Angela Merkel (CDU) hat es geschafft, dass sie – sobald sie ein Stadion betritt - als überparteiliche Regentin wahrgenommen wird. Auch der Präsident der Deutschen Fußallliga Reinhard Rauball (SPD) lässt sich für Merkels Inszenierungen einspannen. Die „Geh deinen Weg“-Kampagne der Deutschen Zeitungsverleger, mit der Migranten aufgefordert werden, sich gefälligst zu integrieren, als sei das alles ganz einfach hierzulande, mag der Anlass für Merkels Stadionbesuch gewesen sein, das Anliegen der Kanzlerin war gewiss ein anderes. Unvergessen sind die Bilder von ihr und Mesut Özil in der Kabine eines südafrikanischen Fußballstadions, die ihr Amt gegen den Willen des Spielers und des DFB umgehend veröffentlichen ließ. „Spielt mein Spiel“ - das ist die eigentliche Kampagne der Kanzelerin. Und viel zu viele spielen mit.

Nochmal: Der BVB hat nicht gewonnen, weil Angela Merkel (CDU) ím Stadion war und die SpVgg Greuther Fürth hat nicht verloren, obwohl Ex-US-Außenminister, Sozialistenhasser und -bekämpfer Henry Kissinger (Republikaner) vor Ort war. Niemand verlangt von Mike Büskens, dem Fürther Trainer, dass er weiß, welche finstere Rolle Kissinger beim Putsch gegen den sozialistischen chilenischen Präsidenten Salvador Allende gespielt hat. Aber warum nur sagt der Mann in die Fernsehkameras, dass das Schöne an diesem Tag sei, dass Kissinger sich in seinem hohen Alter noch für die aktuellen Ergebnisse der Fürther interessiere. Soll er sich doch um den Nichtabstieg kümmern und die elende Schleimerei unterlassen, mag man sich denken. Wenigstens ist Kissinger ein Gestriger, der nicht – bei uns schon gar nicht – zur Wahl steht.