Dienstag, 30. Oktober 2012

Deutsche Liga für Fußballsicherheit

An dieser Stelle will ich Reaktionen auf das zusammentragen, was ich die DFL zum Thema Gewalt ausgedacht hat. Vollständig wird es nie sein. Vielleicht hilft es ja trotzdem.

Hier ist das Unding der DFL (PDF).

Und hier die Abschlusserklärung des Fangipfels vom 1. November, das der geschätzte Kollege Johannes Kopp als wahrhafte Schule der Demokratie geschildert hat.

Der FC Bayern findet das ganz o.k.: Pressesprecher Hörwick: "Wir stehen hinter diesem Konzept."

So haben sich andere Klubs dazu geäußert:

Union Berlin (PDF)
FC St. Pauli
1. FC Köln
FC Augsburg
Fortuna Düsseldorf (PDF)
Hertha BSC
VfL Wolfsburg
TSV 1860 München
Borussia Mönchengladbach
1. FC Kaiserslautern
Eintracht Frankfurt (PDF)
VfB Stuttgart
Hamburger SV (PDF)
1.FC Nürnberg
Dynamo Dresden
Erzgebirge Aue
Hannover 96 (PDF)
1789 Hoffenheim

Außerdem hat der SC Freiburg schon am 23. Oktober in einem Brief  an die DFL seine Position zum Papier „Sicheres Sicherheitserlebnis“ mitgeteilt. Für den Klub ist es eine "Diskussionsgrundlage, bei der wir unsere Erfahrungen aus der engen Zusammenarbeit mit den beteiligten Sicherheitsbehörden, Fangruppierungen, Fanbeauftragten und Sicherheits- sowie Ordnungsdiensten einbringen möchten."


Harald Strutz, Vizepräsident der DFL und Präsident von Mainz 05, sagt, dass er sich schon auf der vergangenen Mitgliederversammlung der Deutschen Liga für Sicherheitsfußall kritisch zum "Sicheren Sicherheitserlebnis" geäußert hat in der Allgemeinen Zeitung sagt er zum Beislien zu den so genannten Vollkontrollen: "Das ist vor dem Hintergrund der persönlichen und körperlichen Integrität ein sehr sensibles Thema. Wer zum Fußball geht, darf nicht der Willkür ausgesetzt sein."

Und hier eine Auswahl von Fan-, Fanvertretern- und Fanprojektvertretern:

Pro Fans (PDF)
Unsere Kurve
Bundesarbeitsgemeinschaft Fanprojekte (PDF)

Von Bürgern und Ultras

Nachdem ich gerade festgestellt habe, dass mein Kommentar zum Sicherheitspapier der deutschen Liga für sicheren Fußball zum sicheren Stadionbesuch nicht auf taz.de gelandet ist, stelle ich ihn hier noch einmal zur Verfügung. Bitte sehr:

Hallo! Kann sich hier jemand noch daran erinnern, wie erbittert in diesem Land vor nicht allzu langer Zeit über den Einsatz von Ganzkörperscannern gestritten worden ist? Beinahe das ganze Land hat diskutiert, ob der Einsatz von derart riesigen Durchleuchtungsgeräten zur Terrorismusbekämpfung an deutschen Flughäfen ethisch zu rechtfertigen ist. Von elektronischer Massenentkleidung oder Striptease für die Sicherheit war da die Rede. Datenschützer und Bürgerrechtler haben protestiert. Als die ersten sogenannten Nacktscanner auf dem Flughafen Hamburg am lebenden Passagier getestet worden sind, gab es Demonstrationen und der seinerzeitige Bundesinnenminister Thomas de Maizière tat sich schwer mit seiner Argumentation, dass es doch gar keine nackten Menschen zu sehen gibt auf den Bildern, die die Strahlenkameras aufnehmen, dass das doch nur Strichmännchen seien. 

Der Minister stellte sich sogar selbst in den Scanner und ließ sich durchstrahlen, was damals viele an den früheren bayerischen Umweltminister Alfred Dick (CSU) erinnerte, der einst demonstrativ atomar verstrahlte Molke verzehrt hat, um der Welt zu zeigen: Alles halb so schlimm! Doch de Maizières Selbsttest beruhigte die Gemüter keineswegs. Das Empörungsniveau blieb bis zum Ende des Testbetriebs stabil auf hohem Niveau. Die Nacktscanner wurden zum Sinnbild für die Überwachungsfantasien der deutschen Sicherheitspolitiker. Sie wurden von der katholischen Bischofskonferenz verteufelt, ein großer Teil des liberalen Bürgertums fand die Vorstellung, sich am Flughafen einem Sicherheitsmitarbeiter nackt präsentieren zu müssen, zumindest ekelig, die digitalen Bürgerrechtler zogen sich gar aus, um gegen die Geräte zu demonstrieren, und argumentieren wie die Linken gegen die Allmacht eines autoritären Staates, die sich im Einsatz von Nacktscannern manifestiere.

Wie leise ist es im Vergleich dazu in diesen Tagen, in denen die Deutsche Fußballliga zusammen mit dem DFB ein Sicherheitskonzept vorgelegt hat, das das Aufstellen von Containern vorsieht, in denen Fans nackt kontrolliert werden sollen. Damit keiner mehr auch nur ein Gramm pyrotechnisches Material ins Stadion schmuggeln kann, wollen die Sicherheitsapologeten in den deutschen Fußballverbänden den Stadionbesuchern buchstäblich in den After schauen. Das soll ohne jede richterliche Anordnung gemacht werden, einfach so, ohne konkreten Verdacht. Wie harmlos muss den Fans dagegen ein Nacktscanner vorkommen. Ausziehen! Könnte ja sein, dass jemand etwas Böses in der Unterhose hat, das er ins Stadion schmuggeln will.

Der Aufschrei des aufgeklärten Bürgertums über derartig massive Eingriffe in die Persönlichkeitsrechte von Menschen bleibt aus. Eine Frage drängt sich auf: Werden die Fans in den Kurven von der Mehrheitsgesellschaft schon gar nicht mehr als Menschen wahrgenommen? Der unschuldige Bürger im Nacktscanner am Flughafen ist ein gesellschaftlicher Aufreger gewesen. Der unschuldige Kurvenfan, der unschuldige Ultra gar scheint dagegen ein denkerisches Unding zu sein. Er steht längst ganz weit außerhalb der Gesellschaft. Und wer da steht, der scheint es schwer zu haben, wenn es um die Verteidigung seiner Bürgerrechte geht. Dass sich die katholischen Bischöfe in der Causa noch nicht zu Wort gemeldet haben, sei's drum! Aber wo ist der prominente Grüne, Linke, Sozialdemokrat oder Pirat, wo sind die moderaten Innenpolitikerinnen in diesem Land? Wo ist die rechtliche und moralische Grundsatzdebatte? Hallo! Kann sich hier mal jemand aufregen, bitte!

Dienstag, 16. Oktober 2012

Fußball und Rechststaat


"Fußball – Macht – Politik. Interdisziplinäres Symposium zu Fußball und Gesellschaft" - so hieß die Veranstaltung, bei der ich am Samstag in Bonn gesprochen habe. Der Ausflug in die Wissenschaft hat sich für mich auch als Zuhörer gelohnt. Vielen Dank dafür der Abteilung für Altamerikanistik und Ethnologie an der Uni Bonn und der Rosa-Luxemburg-Stiftung NRW. Vor allem der Vortrag von Oliver Fürtjes, Sportsoziologe an der Deutschen Sporthochschule Köln, hat mir gefallen. Er hat den Mythos von Fußball als Proletariersport regelrecht zertrümmert und nachgewiesen, dass die Begeisterung für das Spiel schon seit den 50er Jahren ein "schichtenübergreifendes Phänomen" ist.


Ich hatte über den DFB zu sprechen und seine immer stärker werdende Rolle als Staat im deutschen Staat, dem immer mehr Privilegien zugestanden werden. Was die Politik von ihrer Anbiederung an den Fußball hat, das habe ich wie folgt dargestellt (das irrwitzige Sicherheitskonzept der DFL kommt darin auch vor):

Der Fußball als Experimentierfeld der Sicherheitspolitik

Die Popularität des Lieblingssports der Deutschen hat sich schon oft als hilfreich erwiesen, wenn es darum ging, den rechtsstaatliche Standards
nach unten zu korrigieren. 2001 wunderten sich nicht wenige politische Aktivisten, als sie kurz vor dem G8-Gipfel in Genua Besuch von der Polizei bekamen, die ihnen eine Art Hausarrest aufbrummte. Andere wurden auf dem Weg zur Protestaktionen bei Grenzkontrollen als potenzielle Gewalttäter identifiziert und zurück in ihre Wohnorte geschickt. Verbrochen hatten sie nichts. Ihr Name war in eine mehr oder weniger willkürlich geführte Datensammlung geraten, wo sie als linke Gewalttäter geführt wurden. Vorbild für diese Datensammlung war die Datei „Gewalttäter Sport“, die seit 1994 geführt wird. Zunächst ohne jede Rechtsgrundlage. Nicht nur Datenschützer, mehrere gerichtliche Instanzen haben die rechtliche Unzulässigkeit dieser Datensammlungen festgestellt. Doch die Behörden katalogisierten die vermeintlich gewaltbereiten Fans weiter. Der Kampf gegen die Gewalttaten von Hooligans war spätestens, seit deutsche Fußballfans 1998 den französischen Polizisten Daniel Nivel beinahe zu Tode geprügelt haben, in der breiten Öffentlichkeit äußerst populär. Die Datensammlung wurde deshalb nie in Frage gestellt, auch wenn sich dort als Gewalttäter auch findet, wer einmal einen Aufkleber auf die Kacheln einer Stadiontoilette geklebt hat, und dabei von Ordnern erwischt wurde. Zum vermeintlichen Wohl des Fußballs wurden Bürgerrechte eingeschränkt.
Nachhaltig – wie sich 2001 vor dem G8-Gipfel in Genua zeigen sollte.

Kein Einzelfall. 2007 wunderten sich Aktivisten im Protestcamp anlässlich des G8-Gipfels von Heiligendamm über Bundeswehrjets, die über ihr zeitweiliges Domizil gebrettert waren. Ist der Einsatz der Bundeswehr im Inneren nicht verboten, mögen sie sich gefragt haben. Im Rahmen des G-8-Gipfels in Heiligendamm 2007 setzte die Bundeswehr mindestens ein Dutzend Kampfjets zur Aufklärung ein. Darüber hinaus kamen Spähpanzer vom Typ „Fennek“ zum Einsatz, um Straßen sowie die Anflugrouten der Gipfelteilnehmer zu beobachten. Zur Überwachung des Luftraums wurden drei Nato-Aufklärungsflugzeuge vom Typ Awacs eingesetzt. In Bad Doberan
errichtete die Bundeswehr zusätzlich ein mobiles Sanitätsrettungszentrum, das von mehreren Feldjägern gesichert wurde. Eigentlich ist der Einsatz der Bundeswehr im Innern laut Grundgesetz nur dann gestattet, wenn der Bundestag einen Verteidigungsfall festgestellt hat, es sei denn er dient „zur Abwehr einer drohenden Gefahr für den Bestand oder die freiheitliche demokratische Grundordnung des Bundes oder eines Landes“. Wolfgang Schäuble, seinerzeit Innenminister und Verteidigungsminister Franz-Josef Jung wussten diesen Satz schon ein Jahr zuvor zugunsten ihrer Sicherheitsphantasien zu interpretieren. An der Sicherung der Fußball-WM 2006 nahmen 2.000 Bundeswehrsoldaten aktiv teil. 5.000 weitere waren ständig in Breitschaft. Deutschlands größte Nationalparty öffnete der Bundeswehr die Tür zum Einsatz im Inland. Die Regierung hatte sich einmal mehr die Popularität des Fußballs zu Nutze gemacht, um neue Sicherheitsstandards zu etablieren.

In diesen Tagen wird immer wieder intensiv über die Gewalt in deutschen Fußballstadien diskutiert. Innenpolitiker und Fußballfunktionäre ringen um neue Wege zum sicheren Stadionbesuch. Gerade hat der Verband der in der ersten und zweiten Liga vertretenen Profiklubs ein Sicherheitskonzept vorgestellt. Darin ist von Containern die Rede, in denen Fans einer Genzkörperkonztrolle unterzogen werden sollen. Damit soll wohl verhindert werden, dass Zuschauer pyrotechnische Erzeugnisse wie bengalische Fackeln oder Sylvesterraketen - in ihrem Genitalbreich versteckt - ins Stadion schmuggeln. Rechtspolitiker müssten eigentlich aufschreien, denn für derartige Nacktuntersuchungen ist eigentlich ein richterlicher Beschluss von Nöten. In der Strafprozessordnung heißt es: „Bei Gefahr im Verzug kann die Untersuchung auch auf Grund einer Anordnung der Staatsanwaltschaft durchgeführt werden, doch hat die Staatsanwaltschaft in diesem Fall unverzüglich die gerichtliche Bewilligung einzuholen. Wird diese nicht erteilt, so hat die Staatsanwaltschaft die Anordnung sofort zu widerrufen und das Ergebnis der körperlichen Untersuchung vernichten zu lassen. Jede körperliche Untersuchung ist von einem Arzt vorzunehmen.“ Vor nicht allzu langer Zeit diskutierte beinahe das ganze Land über die Einführung von Ganzkörperscannern bei der Sicherheitskontrolle an Flughäfen. Angesichtes der Pläne der DFL eine beinahe schon niedliche Diskussion.

Der Fußball ist einmal mehr dabei, rechtsstaatliche Standards auszuhebeln. Die Sicherheitsapologeten in den Innenminsterien von Bund und Ländern können sich bedanken