Dienstag, 30. Oktober 2012

Von Bürgern und Ultras

Nachdem ich gerade festgestellt habe, dass mein Kommentar zum Sicherheitspapier der deutschen Liga für sicheren Fußball zum sicheren Stadionbesuch nicht auf taz.de gelandet ist, stelle ich ihn hier noch einmal zur Verfügung. Bitte sehr:

Hallo! Kann sich hier jemand noch daran erinnern, wie erbittert in diesem Land vor nicht allzu langer Zeit über den Einsatz von Ganzkörperscannern gestritten worden ist? Beinahe das ganze Land hat diskutiert, ob der Einsatz von derart riesigen Durchleuchtungsgeräten zur Terrorismusbekämpfung an deutschen Flughäfen ethisch zu rechtfertigen ist. Von elektronischer Massenentkleidung oder Striptease für die Sicherheit war da die Rede. Datenschützer und Bürgerrechtler haben protestiert. Als die ersten sogenannten Nacktscanner auf dem Flughafen Hamburg am lebenden Passagier getestet worden sind, gab es Demonstrationen und der seinerzeitige Bundesinnenminister Thomas de Maizière tat sich schwer mit seiner Argumentation, dass es doch gar keine nackten Menschen zu sehen gibt auf den Bildern, die die Strahlenkameras aufnehmen, dass das doch nur Strichmännchen seien. 

Der Minister stellte sich sogar selbst in den Scanner und ließ sich durchstrahlen, was damals viele an den früheren bayerischen Umweltminister Alfred Dick (CSU) erinnerte, der einst demonstrativ atomar verstrahlte Molke verzehrt hat, um der Welt zu zeigen: Alles halb so schlimm! Doch de Maizières Selbsttest beruhigte die Gemüter keineswegs. Das Empörungsniveau blieb bis zum Ende des Testbetriebs stabil auf hohem Niveau. Die Nacktscanner wurden zum Sinnbild für die Überwachungsfantasien der deutschen Sicherheitspolitiker. Sie wurden von der katholischen Bischofskonferenz verteufelt, ein großer Teil des liberalen Bürgertums fand die Vorstellung, sich am Flughafen einem Sicherheitsmitarbeiter nackt präsentieren zu müssen, zumindest ekelig, die digitalen Bürgerrechtler zogen sich gar aus, um gegen die Geräte zu demonstrieren, und argumentieren wie die Linken gegen die Allmacht eines autoritären Staates, die sich im Einsatz von Nacktscannern manifestiere.

Wie leise ist es im Vergleich dazu in diesen Tagen, in denen die Deutsche Fußballliga zusammen mit dem DFB ein Sicherheitskonzept vorgelegt hat, das das Aufstellen von Containern vorsieht, in denen Fans nackt kontrolliert werden sollen. Damit keiner mehr auch nur ein Gramm pyrotechnisches Material ins Stadion schmuggeln kann, wollen die Sicherheitsapologeten in den deutschen Fußballverbänden den Stadionbesuchern buchstäblich in den After schauen. Das soll ohne jede richterliche Anordnung gemacht werden, einfach so, ohne konkreten Verdacht. Wie harmlos muss den Fans dagegen ein Nacktscanner vorkommen. Ausziehen! Könnte ja sein, dass jemand etwas Böses in der Unterhose hat, das er ins Stadion schmuggeln will.

Der Aufschrei des aufgeklärten Bürgertums über derartig massive Eingriffe in die Persönlichkeitsrechte von Menschen bleibt aus. Eine Frage drängt sich auf: Werden die Fans in den Kurven von der Mehrheitsgesellschaft schon gar nicht mehr als Menschen wahrgenommen? Der unschuldige Bürger im Nacktscanner am Flughafen ist ein gesellschaftlicher Aufreger gewesen. Der unschuldige Kurvenfan, der unschuldige Ultra gar scheint dagegen ein denkerisches Unding zu sein. Er steht längst ganz weit außerhalb der Gesellschaft. Und wer da steht, der scheint es schwer zu haben, wenn es um die Verteidigung seiner Bürgerrechte geht. Dass sich die katholischen Bischöfe in der Causa noch nicht zu Wort gemeldet haben, sei's drum! Aber wo ist der prominente Grüne, Linke, Sozialdemokrat oder Pirat, wo sind die moderaten Innenpolitikerinnen in diesem Land? Wo ist die rechtliche und moralische Grundsatzdebatte? Hallo! Kann sich hier mal jemand aufregen, bitte!

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