Montag, 17. September 2012

Spiel mein Spiel

Es war ein grauenhaftes Fußballwochenende. Das ZDF hat es auf den Punkt gebracht. Die Bilderstrecke zum 3. Spieltag hat das öffentlich-rechtliche Portal mit den Worten „Kick zwischen Kanzlerin und Kissinger“ überschrieben. Treffender geht’s nicht. 

Der Frankfurter Fußballrausch ist längst aus meinem Kopf verschwunden, die Hoffenheimer Wiese-Blamage ebenfalls, der Bayern-Sieg sowieso. Dass in Dortmund und Fürth Fußball gespielt wurde, das habe ich noch im Kopf, aber wie die Spiele verlaufen sind, auch das ist irgendwie verschwunden über all der Hofberichterstattung über Angela Merkel und Henry Kissinger. Ich weiß, dass sie beinahe für Dortmund geklatscht hätte, dass DFB-Boss Wolfgang Niersbach es schon wieder geschafft hat, ganz in der Nähe seiner Kanzlerin ein Fußballspiel anzusehen und wie rot Merkels Blazer war, habe ich auch noch vor Augen.

Kaum ein Bericht über das Spiel war zu sehen oder zu lesen, der nicht mit Angela Merkels Besuch in Dortmund begonnen hätte. Jede Regung von ihr wurde kommentiert. So ist zuletzt über die Queen berichtet worden, als sie in London die Olympischen Spiele eröffnet hat. Gibt es da keinen Unterschied? Die Kanzlerin wird behandelt wie ein Staatsoberhaupt. Das ist sie aber nicht. Sie ist die Regierungschefin. Eine Politikerin im Tagesgeschäft, die in einem Jahr zur Wiederwahl ansteht. Damit sie nicht ausziehen muss aus dem Kanzleramt, wanzt sie sich an den Fußball heran. Vor dem Start der EM hat sie dem deutschen Nationalteam in deren Quartier in Danzig Glück für das Turnier gewünscht. Und alle, allen voran Sami Khedira, Bastian Schweinsteiger und Joachim Löw haben sich öffentlich darüber gefreut. Keiner hat sich die Frage gestellt, wem so ein Besuch wirklich etwas nützt, der Nationalmannschaft oder ihr.

Immer wieder habe ich mich über Agenturmeldungen gewundert in denen nach dem Namen der Bundeskanzler in Klammern auch immer ihre Parteizugehörigkeit angegeben wurde. Das weiß doch eh jeder, habe ich mir gedacht. Warum war am Samstag in fast keinem Bericht das eingeklammerte CDU zu finden? Angela Merkel (CDU) hat es geschafft, dass sie – sobald sie ein Stadion betritt - als überparteiliche Regentin wahrgenommen wird. Auch der Präsident der Deutschen Fußallliga Reinhard Rauball (SPD) lässt sich für Merkels Inszenierungen einspannen. Die „Geh deinen Weg“-Kampagne der Deutschen Zeitungsverleger, mit der Migranten aufgefordert werden, sich gefälligst zu integrieren, als sei das alles ganz einfach hierzulande, mag der Anlass für Merkels Stadionbesuch gewesen sein, das Anliegen der Kanzlerin war gewiss ein anderes. Unvergessen sind die Bilder von ihr und Mesut Özil in der Kabine eines südafrikanischen Fußballstadions, die ihr Amt gegen den Willen des Spielers und des DFB umgehend veröffentlichen ließ. „Spielt mein Spiel“ - das ist die eigentliche Kampagne der Kanzelerin. Und viel zu viele spielen mit.

Nochmal: Der BVB hat nicht gewonnen, weil Angela Merkel (CDU) ím Stadion war und die SpVgg Greuther Fürth hat nicht verloren, obwohl Ex-US-Außenminister, Sozialistenhasser und -bekämpfer Henry Kissinger (Republikaner) vor Ort war. Niemand verlangt von Mike Büskens, dem Fürther Trainer, dass er weiß, welche finstere Rolle Kissinger beim Putsch gegen den sozialistischen chilenischen Präsidenten Salvador Allende gespielt hat. Aber warum nur sagt der Mann in die Fernsehkameras, dass das Schöne an diesem Tag sei, dass Kissinger sich in seinem hohen Alter noch für die aktuellen Ergebnisse der Fürther interessiere. Soll er sich doch um den Nichtabstieg kümmern und die elende Schleimerei unterlassen, mag man sich denken. Wenigstens ist Kissinger ein Gestriger, der nicht – bei uns schon gar nicht – zur Wahl steht.

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